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Die Elementare von Calderon

Die Elementare von Calderon

Titel: Die Elementare von Calderon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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übermittelte sie an Bernard, an sein stockendes Herz. Sie gab frei, was in ihr steckte, spürte, wie die Kraft aus ihr herausströmte und sie schwächer zurückließ. Sie schenkte ihrem Bruder alles, was sie hatte: ihre Liebe zu ihm, ihre Liebe zu Tavi, die Angst vor seinem Tod, die Enttäuschung, den Schmerz, die Freude an wunderbaren Erinnerungen und die Verzweiflung über die düstersten Momente ihres Lebens. Sie hielt nichts zurück.
    Bernard zitterte wieder und schnappte plötzlich nach Luft, die wie kaltes Feuer in seine Lungen drang. Er hustete, die entsetzliche Stille war durchbrochen, und seine Lungen arbeiteten, arbeiteten, arbeiteten.
    Isana verspürte Erleichterung, als sein Körper kräftiger wurde. Der Rhythmus seines Herzens gewann an Geschwindigkeit, wurde gleichmäßiger und pochte in ihrem Bewusstsein wie ein Hammer. Undeutlich fühlte sie Bächlein, das sich durch ihn bewegte, und sie empfand leichte Verwirrung. Erneut versuchte Roth, ihr durch die Elementare etwas zu übermitteln, doch sie war zu müde, um es zu verstehen, sie hatte sich zu sehr in Erleichterung und Erschöpfung verloren. Also ließ sie ihr Bewusstsein treiben und nahm wahr, wie es in die Tiefe sank, in eine Dunkelheit und Wärme, die ihr Erlösung von den Sorgen und dem Schmerz und der Müdigkeit versprach.
    Dann jedoch durchfuhr sie mattes Feuer. Sie meinte sich an dieses Gefühl zu erinnern, hatte es vor langer Zeit schon einmal erlebt. Der Fall verlangsamte sich für einen Augenblick.
    Erneut spürte sie das Feuer. Und wieder. Und wieder.
    Schmerz. Ich fühle Schmerz.

    In einem losgelösten, fernen und unbeteiligten Teil ihres Bewusstseins begriff sie, was vor sich ging. Roth hatte Recht gehabt. Sie hatte zu viel von sich gegeben und war nicht mehr fähig, in ihren eigenen Körper zurückzukehren. Zu müde, zu entspannt, zu schwach. So würde sie hier neben der Wanne sterben, würde einfach leblos zusammensinken.
    Abermals flammte das Feuer auf, irgendwo oben und fern der Dunkelheit.
    Die Toten spüren keinen Schmerz, dachte sie. Der Schmerz ist den Lebenden vorbehalten.
    Sie orientierte sich daran, an dem Feuer in der Nacht. Das sanfte Fallen kam zum Stillstand, obwohl irgendwo in ihr eine Stimme dagegen aufschrie. Sie griff nach dem Schmerz, bewegte sich jedoch nicht, konnte den Aufstieg nicht in Angriff nehmen.
    Zu spät. Ich kann nicht umkehren.
    Dennoch versuchte sie es. Sie wehrte sich gegen die Stille, die Wärme. Sie kämpfte um ihr Leben.
    Plötzlich flammte ein Licht auf wie eine neugeborene Sonne. Isana griff danach, umarmte dieses ferne Feuer mit allem, was in ihr noch lebendig war. Das Licht überflutete sie, schwoll zu einer brennenden Pein an, furchtbar und grell, ein sengender Schmerz, wie sie ihn in dieser Stärke nie zuvor erlebt hatte. Dann folgte ein betäubender Ruck und eine Welle der Verwirrung, eine Leere, wo zuvor Bächlein gewesen war, und dann mehr und mehr Schmerz.
    Darauf ging sie zu, und zwar mit Freuden. Das Licht und die Pein verzehrten sie, ihre Glieder schmerzten, ihre Lungen brannten, ihr Herz hämmerte, und ihr Verstand schrie, als diese heftigen Gefühle in sie vordrangen.
    Sie hörte Rufe. Jemand schrie, und es gab einen schweren Schlag. Wieder Schreie. Faede, dachte sie.
    »Da«, rief jemand. Otto? »Seht nur! Sie atmet!«
    »Eine Decke!«, erwiderte Roth ganz ruhig. »Und eine zweite für Bernard.«

    »Brühe für beide, sie brauchen etwas zu essen.«
    »Ich weiß. Schafft diesen Idioten von einem Sklaven weg, ehe er noch jemanden verletzt.«
    Allmählich löste sich die Wolke aus Schmerz über ihr auf, wurde zu einem dumpfen Pochen in ihrer Hand und einem lieblichen, eigenartig befriedigenden Gefühl der Erschöpfung in ihrem ganzen Körper. Sie schlug die Augen auf, drehte den Kopf und sah Bernard, der sich benommen umschaute. Sie schob ihre Hand auf seine zu, sah die geschwollenen, seltsam verformten Finger. Sie berührte ihn, und dann durchflutete sie der Schmerz und blendete sie.
    »Ruhig, Isana.« Roth nahm ihren Unterarm und drückte die Hand nach unten. »Keine Sorge. Jetzt musst du dich ausruhen.«
    »Tavi«, sagte Isana. Es kostete sie große Anstrengung, die Worte hervorzubringen, und trotzdem klangen sie wie ein Lallen. »Sucht Tavi.«
    »Ruh dich aus«, sagte Roth. Der alte Wehrhöfer sah sie voller Mitgefühl an. »Ruh dich aus, du hast schon viel zu viel getan.«
    An Isanas Seite erschien Biette und versicherte ihr: »Wir werden unseren Wehrhöfer bis zum Morgen wieder

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