Die Elementare von Calderon
Fidelias reagieren, um dies zu verhindern?
Er wird versuchen, mich zu finden. Mich zu töten. Und Verwirrung unter den Wehrhöfern zu stiften, bis er mit der Durchführung seines Planes beginnt.
Ihr lief es eiskalt den Rücken hinunter. Sie durchdachte die Lage nochmals, aber ihre Schlussfolgerungen passten haargenau zu Fidelias. Er bevorzugte schlichte Lösungen und ging geradewegs auf das Ziel zu. Ihr hatte er stets gesagt, sie solle ihre Lügen und Pläne einfach halten. Immer müsse sie die Möglichkeit von Abweichungen mit einbeziehen, die sich notwendigerweise ergaben, und sie solle sich lieber auf ihre Augen und ihren Verstand als auf irgendeinen Plan verlassen.
Wenn im Tal ein Kursor auftauchte, würde sich die Nachricht wie ein Lauffeuer von einem Wehrhof zum nächsten verbreiten. Genauso gut könnte sie sich einen großen Punkt auf das Herz malen und auf einen Pfeil warten, der sie dort traf. Da lief es ihr gleich noch einmal kalt den Rücken hinunter. Er würde sie umbringen. Fidelias hatte ihr eine Chance gegeben, und sie hatte diese ausgeschlagen. Den gleichen Fehler würde er kein zweites Mal begehen. Ihr einstiger Lehrer würde sie töten, ohne mit der Wimper zu zucken, wenn sie ihm abermals in die Quere kam.
»Und eben deshalb bin ich hier«, flüsterte sie. Sie begann wieder zu zittern.
Zwar redete sie sich ein, sich bei ihrer Entscheidung nicht von Angst leiten zu lassen, allerdings verspürte sie die Furcht tief in
sich. Den Luxus, offen an die Wehrhöfer heranzutreten und sich als Kursor zu erkennen zu geben, konnte sie sich nicht leisten, weil sie sich damit Fidelias selbst preisgab. Auf diese Weise würde sie es geradezu herausfordern, umgebracht zu werden. Deshalb musste sie sich still verhalten und im Verborgenen handeln. Eine entlaufene Sklavin würde hier an der Grenze viel weniger auffallen als eine Gesandte der Krone, die vor einem möglichen Überfall warnte. Aus diesem Grund durfte sie niemanden wissen lassen, wer sie war, ehe sie wusste, wem sie vertrauen konnte und wer über Erkenntnisse verfügte, die ihr bei ihren Entscheidungen halfen. Alles andere würde ihren eigenen Tod und eine Katastrophe für das Tal nach sich ziehen.
Sie betrachtete den Jungen, während sie noch dabei war, ihre Gedanken zu entwirren. Er hatte sie am Abend zuvor gerettet, dabei hätte er ihr gar nicht zu Hilfe eilen müssen. Der Junge hatte Mut bewiesen, wenn es ihm auch an einem gewissen Selbsterhaltungstrieb mangelte, wofür sie allerdings nur dankbar sein konnte. Das verriet eine Menge über ihn und über die Menschen, unter denen er aufgewachsen war. Im Fieberschlaf hatte er nicht von seiner Mutter oder seinem Vater gesprochen, sondern von seiner Tante, die offensichtlich Isana hieß. Ein Waisenkind?
Amara grübelte, doch dann begann ihr Magen zu knurren. Sie ging zu den Bäumen, die um das Becken gepflanzt waren. Wie erwartet entdeckte sie mehr als einen, der Früchte trug. Gaius erledigte gern mehrere Dinge auf einmal, wenn es sich einrichten ließ. Indem er dieses Memorium für seinen gefallenen Sohn errichtete, schuf er einerseits ein Denkmal für den Princeps, erinnerte die Hohen Fürsten daran, über welche Macht er verfügte, und baute gleichzeitig eine Zuflucht für sich und für seine Diener.
Sie pflückte sich eine Frucht, aß und schaute sich genau um. Danach ging sie zu einer der Statuen. Die waren mit echten Schilden und Waffen ausgerüstet, mit den kurzen, gefährlichen Klingen der Königlichen Wache, welche vor allem im Nahkampf eingesetzt
wurden und mit einem einzigen Hieb töten konnten. Also zog sie eine aus der Scheide und prüfte sie. Die Schneide war scharf, und sie schob die Waffe zurück an ihren Platz. Nahrung, ein Dach über dem Kopf und Waffen. Gaius war ein von Angst getriebener alter Fuchs, aber sie war ihm dankbar dafür.
Ihr Arm brannte, als sie die Waffe in die Scheide steckte, und sie warf einen Blick auf den schmutzigen Verband. Aus den Röcken, die sie abgelegt hatte, suchte sie ihr Messer heraus und schnitt sich ein Stück Stoff ab. An einem der Feuer trocknete sie es, löste dann den alten Verband und legte einen neuen an, nachdem sie die Wunde mit Wasser gesäubert hatte. Etwas anderes wollte ihre Aufmerksamkeit erregen, doch verdrängte sie es entschlossen. Sie hatte Arbeit zu erledigen.
Amara beeilte sich und schaute nach, ob der Junge noch schlief. Danach sammelte sie Obst in einem der Schilde, das sie wie einen Teller benutzte, und stellte es bei ihm ab.
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