Die Elementare von Calderon
besorgt und strich ihm das Haar aus der fieberheißen Stirn. Wenn sich ein einsamer Marat im Tal herumtrieb, war der Wehrhöfer vielleicht losgezogen, um ihn
gefangen zu nehmen. Aber warum hatte er den Jungen dabeigehabt? Der hatte keine besondere Begabung für die Beschwörung, nahm sie an, sonst hätte er sie gegen die Windmähnen eingesetzt. Auch trug er keine Waffen oder sonstige Ausrüstung. Nicht einmal bei der Jagd auf den Marat wäre er eine Hilfe gewesen.
Amara kehrte den Gedanken um. Hatte der Marat die Leute von Bernardhof gejagt? Möglich - vor allem, wenn es sich um den Herdentöterstamm handelte, falls das stimmte, was sie über die Marat gehört hatte. Sie waren ein kaltes, berechnendes Volk und so gnadenlos und tödlich wie die Tiere, die sie als Ihresgleichen akzeptierten.
Die Marat führten nicht mehr häufig einen dieser Herdentöter mit sich als... wie sollte sie es beschreiben? Kameraden? Gefährten? Blutsbruder? Schaudernd schüttelte sie den Kopf. Die Lebensweise der Wilden war ihr fremd, selbst die Tatsachen, die sie an der Akademie gelernt hatte, erschienen ihr eher märchenhaft.
Hordenmeister hatten gewöhnlich mehr als ein Tier, ein Symbol ihres Ranges. Was jedoch hatte ein Hordenmeister im Calderon-Tal zu suchen?
Es ging um einen Überfall.
Ihre Antwort auf ihre eigene Frage ließ sie frösteln. Waren die Wehrhöfer zufällig auf die Kundschafter einer großen Marathorde gestoßen?
Für einen solchen Angriff könnte der Feind kaum einen günstigeren Zeitpunkt wählen. Die Straßen wurden zwischen den Städten des Nordens mit Beginn der kalten Jahreszeit zunehmend unpassierbar. Viele Soldaten durften während des Winters zu ihren Familien reisen, und beim Volk auf dem Lande kehrte nach der harten Erntearbeit eine ruhigere Zeit ein.
Wenn die Marat das Tal jetzt angriffen und die Truppen in Kaserna überwinden konnten, so bot sich ihnen damit die Möglichkeit, plündernd durch die Wehrhöfe bis nach Riva zu ziehen. Mit einer entsprechenden Anzahl von Kriegern könnte es ihnen
sogar gelingen, die Stadt zu umgehen und weit ins Innere von Alera vorzustoßen. Bei der Vorstellung, was eine Horde in diesem Falle anrichten könnte, schauderte es Amara. Sie musste mit dem Grafen in Kaserna sprechen - sein Name war Braem oder Graem oder so ähnlich - und ihn warnen.
Nur, wenn der Junge gelogen hatte, was die Marat betraf? Oder etwas falsch verstanden hatte? Sie verzog das Gesicht. Die Civitas dieser Gegend kannte sie zumindest dem Namen nach, obwohl es zu den mühseligsten Aufgaben an der Akademie gehört hatte, die Namen der Fürsten und Grafen auswendig zu lernen. Über diesen Wehrhöfer Bernard oder das Volk im Tal wusste sie wenig. Den Berichten zufolge waren es zähe und unabhängig gesinnte Menschen, doch hatte sie keine Ahnung, wie sehr sie auf ihre Zuverlässigkeit zählen konnte.
Deshalb musste sie mit diesem Bernard reden. Falls er tatsächlich einen Hordenmeister der Marat gesehen und durch einen der großen Jagdvögel aus der Ebene jenseits von Alera verwundet worden war, musste sie es erfahren und sich der Unterstützung des Höfers versichern. Hoffentlich überließ er ihr außerdem neue Kleidung.
Sie runzelte die Stirn. Die Gegner des Ersten Fürsten würden nicht untätig herumsitzen. Fidelias hatte sie in eine Falle geführt, der sie nur äußerst knapp entkommen war. Man hatte sie stundenlang verfolgt, und den Ritter Aeris, die man ihr hinterhergeschickt hatte, war sie nur mit viel Glück entwischt. Durfte sie davon ausgehen, dass Fidelias die Verfolgung nicht länger fortsetzte?
Aller Wahrscheinlichkeit nach, wurde ihr auf einmal klar, konzentrierten sich seine Pläne auf dieses Tal hier. Das musste einer der Gründe sein, weshalb Gaius sie hierher geschickt hatte. Fidelias war ihr Patriserus . Oder ist es gewesen, dachte sie verbittert. Sie kannte ihn vielleicht besser als jeder andere. Schließlich hatte sie auch seine Hinterlist im Lager der Abtrünnigen durchschaut, wenn auch fast zu spät.
Was würde Fidelias tun? Er würde sie anhand ihres bisherigen Handelns einzuschätzen versuchen. Daher erwartete er vermutlich von ihr, dass sie nach ihrer Ankunft im Tal gleich zu den Wehrhöfern ginge, alles sammelte, was sie in Erfahrung bringen konnte, und sodann Maßnahmen ergriff, sich also entweder im stärksten Wehrhof zur Verteidigung verschanzte oder die Männer des Tales und die Legion von Kaserna zusammenrief, um der Bedrohung entgegenzutreten.
Und wie würde
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