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Die Elementare von Calderon

Die Elementare von Calderon

Titel: Die Elementare von Calderon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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müsste.«
    »Ich verstehe nicht, warum diese Schafe so wichtig für dich sind.«
    »Nein«, sagte er. »Wie auch. Ich möchte jetzt gern allein sein.«
    Isana presste die Lippen zusammen, bückte sich und hob ihre Bürste auf. »Aber ich muss mit dir über das sprechen, was passiert ist. Da gibt es einiges -«
    Wut, nein, heftiger Zorn wallte auf sie zu, begleitet von einer Reihe anderer Gefühle, die Tavi ausstrahlte. »Ich will nicht mehr über das reden, was passiert ist«, sagte er. »Ich will allein sein. Bitte.«
    »Tavi -«
    Sein dunkler Schemen wälzte sich im Bett herum und kehrte ihr den Rücken zu. Isana spürte, wie ihre eigenen Gefühle gefährlich auf das zudrifteten, was der Junge empfand, seine Gefühle vermischten sich mit ihren. Daher holte sie tief Luft, wappnete sich dagegen und sagte: »Also gut. Wir müssen aber trotzdem noch darüber reden. Später.«
    Er antwortete nicht.
    Isana verließ das Zimmer. Sie hatte kaum die Tür geschlossen, da hörte sie, wie von innen der Riegel vorgeschoben wurde. Erst mehrere Schritte weiter entkam sie der Gefühlsflut des Jungen. Das wollte ihr nicht einleuchten: Warum regte sich Tavi so auf?
    Genauer gesagt, was wusste sie noch nicht über die Ereignisse des gestrigen Tages? Hing das alles mit dem Eintreffen so vieler Fremder im Tal zusammen?
    Sie schüttelte den Kopf und lehnte sich kurz an die Wand. Tavi hatte einen starken Charakter und verfügte über einen klaren Willen, und beides verlieh seinen Emotionen eine besondere
Schwere. Deshalb musste sie sich anstrengen, um sie von ihren eigenen getrennt zu halten. Nein, es überraschte sie nicht, dass sie ihn deutlicher fühlen konnte als jeden anderen. Sie liebte ihn so sehr und lebte schon so lange mit ihm zusammen.
    Von den anderen Gründen ganz zu schweigen.
    Sie schüttelte heftig den Kopf. Gleichgültig, wie ausgelaugt sie sich nach den Anstrengungen der vergangenen Nacht fühlte, sie hatte keine Zeit zu verlieren. Sie hätte sich an ihre Absichten erinnern sollen, als sie mit dem Jungen gesprochen hatte: zu erfahren, was Bernard von den Ereignissen des gestrigen Tages vergessen hatte.
    Nun ging sie zum Zimmer ihres Bruders, holte tief Luft und trat entschlossen ein.
    Bernard hatte die Lampe auf kleiner Flamme brennen lassen, daher lag das Zimmer in sanftem, goldenem Schein. Ihr Bruder bevorzugte ein einfaches Leben, schon seit Cassea und die Mädchen gestorben waren. Er hatte ihre Besitztümer in zwei Truhen gepackt und unter seinem Bett verstaut. Er selbst brauchte nur eine Truhe wie damals in der Legion. Seine Waffen und seine Ausrüstung lagen auf Gestellen an einer Wand, gegenüber stand ein leerer Schreibtisch. Sämtliche Bücher des Wehrhofes waren in dessen Schubladen untergebracht.
    Das Mädchen schlief in Bernards Bett. Sie war groß, hatte ein schmales Gesicht, das in diesem Licht besonders erschöpft wirkte, und um die Augen sah Isana dunkle Ringe. Die Haut schimmerte golden, fast in der gleichen Farbe wie das Haar. Ohne Frage war das Mädchen eine Schönheit. Um den Hals trug sie einen geflochtenen Lederreif.
    Isana betrachtete sie. Ihr Bruder hatte sie mit zusätzlichen Decken überhäuft, allerdings hatte sie sich bewegt, so dass ein Fuß herausragte. Isana trat abwesend ans Bett, deckte den Fuß zu und bemerkte, dass er verbunden war. Darüber trug das Mädchen weiche Schuhe aus Kalbsleder.

    Isana starrte die Schuhe einen Moment lang an. Weiß, sauber genäht und mit hübschen Perlen bestickt, die ein Muster auf der Oberseite bildeten. Das erkannte sie: Schließlich hatte sie es selbst gemacht, vor vielleicht zehn Jahren. Die Schuhe waren ein Geburtstagsgeschenk für Cassea gewesen. Ein ganzes Jahrzehnt hatten sie in der Truhe unter dem Bett gewartet.
    Sie trat vom Bett zurück. Eigentlich wollte sie mit dem Mädchen reden, aber ihr Bruder hatte sie gemahnt, es nicht zu wecken. Jahrelang hatte sie gehofft, er würde eine Frau finden, nachdem er Cassea und die Mädchen verloren hatte, doch nie war es dazu gekommen. Bernard hatte stets einen stillen Abstand zu allen bewahrt, und die Bewohner des Tales hatten ihm die Einsamkeit gegönnt, die er sich wünschte.
    Wenn ihr Bruder sich nun jemandem geöffnet hatte - seine Worte und die Art, wie er das Mädchen behandelte, ließen darauf schließen -, durfte sie sich ihm nun in den Weg stellen?
    Isana ging zu ihr und legte ihr die Hand auf die Stirn. Noch ehe sie Bächlein ausgeschickt hatte, spürte sie das leichte Fieber. Sie zitterte und

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