Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
versunken. Die Schatten der Felsen streckten sich nach dem seichten Bach, als die Zeit verstrich. Endlich fasste Emerelle sich ein Herz. Sie stieg aus dem Wasser und kniete sich vor der Koboldfrau nieder. Diese begann sofort damit, die gefallene Herrscherin Albenmarks mit Lehm einzureiben. Er war warm und fühlte sich ein wenig seifig an.
Die kleinen, festen Hände rieben ihn tief in ihre Haut. Jede Pore nahm ihn auf. Imaga hatte ihr bereits beide Arme und den Hals eingerieben, als sie das Schweigen brach. »Du musst das Hattah nehmen, Herrin. Sonst wirst du nicht wissen, welches Netz du tragen musst, um die bösen Träume zu fangen.«
Emerelle nickte, und Imaga öffnete eines der kleinen Gefäße an ihrem Gürtel. Sie holte etwas daraus hervor, das an ein münzgroßes Stück verschrumpelte, rosige Haut erinnerte.
Die Elfe öffnete den Mund, und Imaga legte ihr das Hattah mit ihren lehmverkrusteten Fingern auf die Zunge. Sie spürte, wie sich ihr Speichel unter dem getrockneten Kakteenfleisch sammelte. Langsam breitete sich ein warmes, sinnliches Gefühl in ihr aus. Es war wie die Berührung durch den Liebsten und sickerte in all ihre Glieder. Sie fühlte sich ein wenig schwindelig. Stärker als zuvor empfand sie die Hände, die den Lehm in ihre Haut massierten. Imaga arbeitete jetzt an ihren Schultern. Und dünne Rinnsale schmutzig grauen Wassers rannen der Königin zwischen den Brüsten hinab. Ein Seufzer entfuhr ihr ungewollt. Das sinnliche Gefühl drang in ihre Gedanken und spülte die Erinnerung an Falrachs Umarmungen frei. Daran, wie sie sich zwischen den schwarzen Stoppeln eines frisch niedergebrannten Kornfeldes geliebt hatten, und ein anderes Mal auf Seidenlaken im Haus ihres Bruders Meliander. An seine geflüsterten Liebesschwüre. An ihre Eifersucht auf die Blicke anderer Elfen, die er stets auf sich zog, wenn sie in Gesellschaft waren. Daran, wie sie seine Erfahrenheit im Liebesspiel genossen und gehasst hatte. Nie wollte er ihr verraten, bei wie vielen Frauen er vor ihr schon gelegen hatte. Sie war in den körperlichen Spielarten der Liebe recht einfallslos gewesen. Anfangs. Dann war sie ihm regelrecht verfallen gewesen. Eine Zeit lang. Die warmen, knetenden Hände, der feuchte Lehm, der nun überall zu sein schien, und die Droge machten die Erinnerungen an vergangene Liebesspiele so wirklich, wie sie nie in all den ungezählten Nächten der Sehnsucht nach Falrach gewesen waren. Den Nächten, in denen sie allein gelegen hatte und überzeugt gewesen war, dass es bis ans Ende aller Zeiten so sein würde. Den Nächten nach seinem Tod.
Sie griff in den grobkörnigen Sand des Ufers, überwältigt von dem plötzlichen Verlangen, etwas zu berühren.
Imaga rieb ihr die Brüste mit Lehm ein. So oft hatten Falrachs Hände dort gelegen. »Beuge dein Haupt, Herrin.«
Sie gehorchte dem Koboldweib. Ihre Haare wurden zu zähen Lehmschlangen, di schwer von ihren Schläfen hingen.
»Schließ die Augen!«
Die Hände bedeckten ihr Gesicht. Vorsichtiger diesmal. Lehmdurchsetztes Wasser sickerte durch ihre Lippen und vermischte sich mit dem Geschmack des Hattah zu etwas Weichem, Pelzigen, das sich auf ihre Zunge und die Zähne legte. Sie schluckte. Der Speichel, der ihre Kehle hinabrann, schien mit jedem Zoll, den er tiefer in ihren Leib drang, heißer zu werden, bis er brannte wie die gleißende Glut eines Blitzschlages, gebannt in einen einzigen Tropfen.
Das Licht durchdrang sie. Ihr Blick würde wie flammende Speere sein, wenn sie jetzt die Augen öffnete.
Vage spürte sie, wie ihre Finger durch den Sand fuhren. Dem Durchdrungen sein von Licht folgte ein Gefühl, als seien all ihre Kräfte aufgezehrt. Eine Mattigkeit, die bis ins Innere ihrer Knochen zu greifen schien.
Sie glaubte, sich etwas lallen zu hören. War sich aber nicht sicher, ob die Laute am Ende doch nur Erinnerungsfetzen an lang vergangene Gespräche waren. Hunderte Bilder aus ihrer Vergangenheit bestürmten sie in Gedanken. Es war ein Gefühl, als falle sie durch ihr eigenes Leben zurück zum Augenblick ihrer Geburt. Plötzlich war da nur noch Finsternis. Sie spürte, wie sie belauert wurde. Und sie spürte Geröll unter ihren nackten Füßen!
Erschrocken riss sie die lehmverklebten Augenlider auf. Sie blieb stehen und sah sich verwundert um. Es war Nacht geworden. Die Landschaft, die sie umgab, war fremd. Weder der Bach noch das Dorf oder eine einzige ihr bekannte Felsformation waren zu entdecken. Ihre Füße schmerzten. Sie bluteten! Wie lange
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