Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
konnte ohnehin nur ein paar Heiligennamen schreiben. Sie hat noch nie einen Brief von ihm bekommen. Also male die Buchstaben sehr ordentlich, so wie es Kinder tun, und schreibe ihr, wie schön das Leben bei Hof ist.«
»Aber wenn sie misstrauisch wird? Ich weiß fast nichts über die beiden. Ich könnte kaum eine Frage nach ihrer Vergangenheit beantworten.« Der König schenkte ihm ein blutiges Lächeln. »Ich vertraue ganz deinem Einfallsreichtum, Balduin. Du machst das schon. Ich weiß, wie sehr dir daran gelegen ist, mich nicht zu enttäuschen.«
Der Hofmeister verneigte sich. »Darf ich nun gehen, Majestät?«
»Du darfst dich auskleiden.«
Eisiger Schrecken fuhr ihm durch die Glieder. »Ich …«
»Schämst du dich? Ich halte es schon aus, den ausgemergelten Körper eines alten Mannes zu sehen. Er wird nicht schlimmer aussehen als meiner.« »Ich … Danke, aber ich …«
»Mein lieber Freund, ich möchte, dass du nach mir in dieses Bad steigst. Es wird dir guttun. Ich weiß es. Manchmal muss man gute Freunde zu ihrem Glück zwingen. Tankret wird mir dabei gewiss behilflich sein, wenn mein Zureden allein nicht hilft.« Der Leibwächter bedachte Balduin mit einem gehässigen Lächeln. Ihre Abneigung beruhte auf Gegenseitigkeit.
»Du warst mir immer ein guter Berater, Balduin. So gut, dass ich mir meinen Hof nicht ohne dich vorstellen kann. Also werde ich mich um deine Gesundheit kümmern. Ein kleines Blutbad wird dich kräftigen. Vertrau mir.«
DIE BOTSCHAFT
Nikodemus drängte sich zwischen den Grauhäuten hindurch. Er war froh, dem Tunnel entronnen zu sein. Ihm kam dieses Tal nicht gut vor. Er war schon in anderen Oasen im verbrannten Land gewesen. Aber keine war wie diese hier! Es war ein unheimlicher Ort. Ein Ort, an dem die Vergangenheit nicht ruhen wollte.
Er blickte hinüber zu der Festung in der weiten Felsnische. Zu den Lichtern. Drei der Fenster waren erleuchtet. Und es gab noch ein viertes Licht. Im Felsboden vor der Festung.
Es gab nur einen einzelnen Albenpfad hier. Der Lutin hatte eine Karte der magischen Pfade im Kopf. Seine Sippe hatte sie gefertigt. Es war eines ihrer Geheimnisse. Sie kannten das Goldene Netz besser als jeder andere. Zu oft mussten sie dorthin fliehen. Nikodemus wusste, dass es hier nur einen einzigen Albenpfad gab. Er schnitt längs durch das Tal. Mitten durch die unheimliche Pyramide. Theoretisch konnte man an einer beliebigen Stelle einen Albenpfad verlassen. Aber es zu tun, war der blanke Leichtsinn. Dafür waren sie nicht geschaffen. Man brauchte einen Schnittpunkt. Und je mehr Pfade sich an einem Punkt kreuzten, desto besser! Durch einen Stern zu gehen, der nur aus zwei Linien gebildet wurde, war ebenfalls gefährlich. Man mochte einen Sprung durch die Zeit machen oder sogar ganz verlorengehen. Kein Lutin, der etwas auf sich hielt, würde einen Albenstern nutzen, an dem sich weniger als vier der magischen Pfade kreuzten.
Nikodemus blickte zweifelnd zu den Lichtern. Skanga und ihre Häscher konnten noch nicht hier sein. Es war kaum einen Tag her, dass das Amulett verschwunden war. Andererseits, sie war Skanga, die mächtigste Schamanin aus dem Volk der Trolle. Wer wusste schon, über was für dunkle Kräfte sie gebieten mochte, von denen er keine Ahnung hatte?
Emerelle wandte sich ihnen zu. »Dort drüben ist unser Nachtlager. Folgt mir!« Mit weiten Schritten betrat sie den Weg, der entlang der Bergflanken hinüber auf die andere Seite führte. Im Sternenlicht konnte man ihn nur undeutlich erkennen. Es lag noch mindestens eine halbe Stunde Fußmarsch vor ihnen, schätzte Nikodemus. Der Lutin musste laufen, um zu der Elfe aufzuschließen. Die übrigen Kobolde folgten. Sie waren fast am Ende ihrer Kräfte. Emerelle verlangte ihnen zu viel ab!
Wieder blickte er zu den Lichtern in der Festung. Erwartete Skanga sie dort? Endlich erreichte er die Königin. »Herrin, auf ein Wort.« »Nicht jetzt!« Sie sagte es freundlich, aber bestimmt. »Aber …«
»Nicht jetzt, Nikodemus! Ich muss all meine Sinne offen halten und auf das Tal lauschen. Ich kann jetzt nicht reden. Später.«
Auf das Tal lauschen? Die Elfe beschleunigte ihre Schritte noch einmal, und er gab den Versuch auf, mit ihr Schritt halten zu wollen. Was fürchtete sie? Konnte sie Skanga spüren? Oder wartete etwas anderes in der Festung auf sie? War es hier so gefährlich, dass man in einer Festung übernachten musste?
Der Lutin blickte auf das Tal hinab. Seltsame Laute drangen aus dem Wald. Waren das
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