Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
vor meinem Zorn. So dachte ich damals. Und tatsächlich brachte ich es nicht über mich, ihn für den Diebstahl hinrichten zu lassen. Aber dem Gesetz musste Genüge getan werden. Niemand steht über dem Gesetz! Ich konnte ihn nicht …« Sie hielt inne. Das waren die Lügen, mit denen sie versuchte, ihr Gewissen zu beruhigen, seit sie Ollowain in die Schlacht geschickt hatte. Lügen! Sie wusste es besser. Sie war die Königin. Sie hätte ihn beschützen können. Aber ihre Eitelkeit war verletzt gewesen, weil Ollowain ihre Liebe als Schutzschild für die Lutin Ganda hatte benutzen wollen.
In unzähligen Nächten hatte sie seitdem keinen Schlaf gefunden. Sie hatte ihr unseliges Erbe verflucht. Ihr heißes Blut, das sich hinter der Maske der kühlen, selbstbeherrschten Herrscherin verbarg. Es schimmerte durch, wenn sie - äußerlich völlig ruhig - unbarmherzige Urteile fällte.
»Wie hast du erfahren, dass Ollowain doch noch lebte?«, beendete Falrach ihr langes Schweigen.
»Gar nicht. Du … Er stand plötzlich vor mir. Als Gegner im Duell auf der Shalyn Falah.
Ich konnte nicht gegen ihn kämpfen …« Sie hob in stummer Verzweiflung die Hände.
»Ich habe meine Krone für ihn aufgegeben.«
»Und dann hast du statt seiner mich bekommen.«
»Ich habe nie aufgehört, nach dir zu suchen, Falrach. Jeder deiner Inkarnationen war ich nahe. Nicht nur Ollowain. Unter allen, die nach dir kamen, war keiner wie du. Wenn ich dich jetzt ansehe, dann blicke ich in das Gesicht eines anderen. Es ist nicht leicht, Falrach. Ich habe gelernt, mich mit deinem Tod abzufinden. Um selbst leben zu können, musste ich dich in meinem Herzen begraben. Und nun bist du wieder da. Nach so unendlich langer Zeit. Lass mich meine Liebe zu dir wiederfinden. Sie ist nie verlorengegangen. Doch sie ruht sehr tief in mir. Verborgen unter der Erinnerung an viele Leben, durch die ich dich begleitet habe. Du musst…« Verwundert blickte sie zur Tür.
Es war plötzlich kälter geworden. Viel zu kalt für eine Nacht in einer Oase inmitten der Wüste. Sein Atem stand Falrach vor dem Mund.
»Geh!« »Was ist das?«
»Nichts, wogegen du bestehen könntest. Bitte, Falrach, lass mich dich nicht ein zweites Mal verlieren.«
Eine geisterhafte Gestalt glitt durch die Wand. Ein riesiger Hund. Emerelle malte mit den Fingern ein Zeichen in die Luft und flüsterte etwas.
Der Geisterhund schreckte zurück. Er wich aus, glitt durch die Lacktruhe an der Wan und ließ sie keinen Herzschlag lang aus den Augen.
»Das Fenster. Spring durch das Fenster, Falrach!«
Er konnte sie nicht allein lassen. Ganz gleich, was sie ihm befahl. Er zog seinen Dolch und überließ sich den Instinkten seines fremden Leibes. Er schnellte vor. Das Messer glitt durch die Kehle des Geisterhundes. Wirkungslos. Raureif lag auf der Klinge. Seine Hand fühlte sich an, als habe er sie zu lange in das eisige Wasser eines winterlichen Flusses gehalten.
Noch immer woben Emerelles Hände verschlungene Muster in die Luft. Ein flüchtiger roter Schein begleitete ihre Bewegungen. Er erinnerte an das tiefe Rot langsam erkaltenden Stahls.
Plötzlich fuhr sie herum und schrie ihm ein Wort der Macht entgegen. Die Luft verdichtete sich. Ihm wurde der Atem aus den Lungen gezogen. Ein Luftstoß mit der Kraft einer Trollfaust traf ihn mitten auf die Brust, riss ihn von den Beinen und schleuderte ihn dem Fenster entgegen.
Hilflos mit den Armen rudernd, sah er einen zweiten Geisterhund aus der Zimmerdecke hinabstoßen. Falrach schleuderte seinen Dolch, als er selbst schon durch das Fenster stürzte. »Über dir!« Das Letzte, was er von Emerelle sah, waren ihre schreckensweiten Augen.
Sein Körper schien besser als er zu wissen, was bei einem Sturz zu tun war. Obwohl es kaum einen Herzschlag dauerte, bis er auf das Pflaster traf, hatte er sich ein wenig gedreht. Er landete im Stand, federte in die Hocke, rollte über die linke Schulter ab und war wieder auf den Füßen.
Im Reflex griff er nach seinem Schwert. Doch seine Hand fuhr ins Leere. Er war vollkommen unbewaffnet. Der Schwertsplitter der Gazala, den er in einem Beutel an seinem Gürtel trug, war alles, was er noch besaß.
Geisterhaftes Licht drang aus dem Fenster. Was ging dort oben vor sich? Er musste wieder hinauf! Aus den Augenwinkeln sah er eine Bewegung. Der Lutin.
»Was ist geschehen?«
»Öffne ein Tor auf dem Albenpfad hier im Hof!« Der Fuchsmann sah ihn erschrocken an. »Das geht nicht.« »Das will ich nicht hören«, entgegnete
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