Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
dir eine der Rüstungen aussuchen«, sagte Jules hinter ihm.
»Aber ich kann doch nicht einfach etwas nehmen, was mir nicht gehört.«
»Und das Gold, das du in deinen Gruben versteckt hast? Dachtest du, ich wüsste nicht davon, Junge? Diese sieben Rüstungen wurden von den alten Göttern für die Könige der Menschenwelt erschaffen. Doch sie kamen niemals hierher, um sie zu holen. Die Könige sind längst zu Staub zerfallen. Von ihren Göttern sind in der Welt der Menschen nicht einmal die Namen geblieben. Was also fürchtest du?«
Zögerlich ging der Junge zu dem nächsten Rüstungsständer. Alle Rüstungen waren, abgesehen von den Helmen, ganz in Weiß gehalten. Eine Brustplatte aus dickem Leder, in das ein Löwenkopf geprägt war, der fast die gesamte Brust füllte. Darunter steckte etwas, ähnlich einem Hemd, nur dass es aus zähem Leder war. Ein Rock, besetzt mit goldgefassten Lederstreifen, und eine Hose aus Leder, die in hohen Lederstiefeln verschwand.
Das Leder hatte in all den Jahrhunderten nicht gelitten. Es war noch makellos weiß und zeigte keinerlei Risse. Über den Rücken hing ein langer weißer Umhang, der von zwei goldenen Löwenköpfen auf den Schulterstücken der Brustplatte gehalten wurde. Vorsichtig berührte er den Umhang. Er fühlte sich sehr glatt an. Noch nie hatte er einen solchen Stoff gesehen. Seine Hand glitt über das Leder. Es war weich und warm, so als sei das Untergewand eben erst getragen worden.
Leider war die Löwenrüstung ganz offensichtlich zu groß für ihn. Adrien betrachtete die anderen eindringlich. Jede hatte einen anderen Tierkopf in die Brustplatte geprägt. Einen Raubvogel, den er nicht kannte. Eine Schlange mit merkwürdig breitem Kopf. Einen Eber. Sein Blick schweifte über die anderen Brustplatten. Diese Tiere konnte er nicht einmal benennen. Abgesehen von den Brustplatten waren alle Rüstungen gleich. Und alle waren sie zu groß. Er seufzte und stellte sich vor, wie er, so ganz in Weiß gerüstet, wohl ausgesehen hätte. »Nun, Junge, worauf wartest du?«
»Ich kann sie nicht tragen! Siehst du es denn nicht? Es ist, als wollte ein Kind die Sachen seines Vaters anziehen. Sie sind nicht für mich geschaffen.«
»Ich finde, das solltest du erst einmal versuchen.«
Ärgerlich fuhr Adrien herum. »Ich sollte das Offensichtliche besser akzeptieren! Ode möchtest du, dass ich mich zum Narren mache?«
Der Priester hob beschwichtigend die Hände. »Du solltest nicht allein deinen Augen trauen, Junge. Hast du in all den Jahren denn nicht gelernt, wie trügerisch der erste Eindruck sein kann? Traut man den Sagen, dann wurden die Rüstungen von Göttern erschaffen! Sie sind von Magie durchdrungen, sonst wären sie schon längst zerfallen. Kein Stück Stoff ist dafür gemacht, Jahrtausende zu überdauern. Wähle die Rüstung aus, zu der dein Herz dich führt, und lege sie an. Es heißt, sie können zwischen einem Würdigen und einem Dieb unterscheiden. Was hast du schon zu verlieren? Ich verspreche dir feierlich, dass ich weder lachen noch jemals ein Sterbenswort darüber verlieren werde, wenn du lächerlich darin aussiehst.« Adrien fühlte sich unwohl. »Und was geschieht, wenn ein Dieb so eine Rüstung anlegt?«
Jules zuckte mit den Schultern. »Dazu gibt es verschiedene Überlieferungen. Irgendein Unglück.« Er grinste. »In einer Geschichte heißt es sogar, die Rüstungen würden einen Unwürdigen einfach zerquetschen.«
Adrien schluckte. Das war ein Scherz! Oder? So viele Jahre kannte er den Priester nun schon, und doch war ihm dessen Humor immer fragwürdig geblieben. Er wartete, ob Jules noch etwas sagte. Aber er lächelte nur. Manchmal machte es dem Priester Spaß, seinen Mut auf die Probe zu stellen. Was hatte er für Ängste auf der Flussfahrt ausgestanden, als er hierhergekommen war! Heute war er sich sicher, dass der Schiffer kein Toter gewesen war. Man hatte ihn hereingelegt. Bestimmt war der vermeintliche Bettler auch nicht tot gewesen. Das war Jules merkwürdiger Humor. Und zugleich war es die erste Probe gewesen. Der Priester hatte wissen wollen, wie mutig er war. Adrien betrachtete die Rüstungen. Dass sie die Zeiten so unbeschadet überstanden hatten, war wirklich merkwürdig. Vielleicht stimmte es ja, und sie waren tatsächlich verzaubert. Noch einmal sah er sie der Reihenfolge nach an. Was hatte er schon zu verlieren!
Sein Blick verharrte auf der Brustplatte mit dem Eberkopf. Der Löwe sah sicherlich eindrucksvoller aus, aber einen Eber hatte er
Weitere Kostenlose Bücher