Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
graben. Dass es Tjureds Wille sei…«
Der Priester schüttelte den Kopf. »Ungestüm der Jugend … Was wird nur aus dir werden, wenn ich dich in die Welt entlasse?« Er kniete nieder und öffnete ein Töpfchen mit Glut vom Herdfeuer ihrer Hütte. Damit entzündete er eine der Fackeln. Er hielt sie hoch über dem Kopf und sah sich um.
»Da vorne gibt es ein Bild, Meister. Das musst du dir ansehen. Es zeigt einen Mann mit Eberkopf. Mit blauen Augen. Diese Augen … Sie sehen so echt aus! Als wären sie lebendig.«
»Dann war da wohl ein begnadeter Künstler am Werk«, entgegnete Jules wenig begeistert.
»Selbst du wirst erstaunt sein, wenn du es siehst«, beharrte der Junge. »Hier. Leuchte hierhin! Hier ist es. Es …« Adrien starte fassungslos auf die Wand. Der Putz war abgeblättert. Vom Fresko des Mannes mit dem Eberkopf waren nur die Füße geblieben. Jules klopfte ihm auf die Schulter. Staub und kleine Putzstückchen rieselten zu Boden. »Hast du dich vielleicht irgendwo angelehnt?«
»Ich …«
»Tja, da übersteht so ein Bild vier Jahrtausende, und kaum betrittst du den Tunnel, d ist es dahin. Vielleicht habe ich dich zu viel mit der Spitzhacke arbeiten lassen. Dei Umgang mit Kunst lässt zu wünschen übrig.«
»Die Augen. Es sah so echt aus …«
»Ja, ja. Ist schon gut. Hast du jemals von einem Eber mit blauen Augen gehört? Wie haben sie ausgesehen? Etwa wie meine Augen? Da ist dem Künstler die Vorstellungskraft durchgegangen.« Jules schnaubte verächtlich. »Ein Eber mit blauen Augen. Ein Mann mit einem Eberkopf. Also wirklich … Vielleicht waren das ja ihre Götter. Sie scheinen den Menschen nicht gut zur Seite gestanden zu haben, wenn man sich so ansieht, was aus dieser Stadt geworden ist.« Die letzten Worte sagte er mit eigenartiger Bitternis. So als könne er das Geschick dieses Tals nicht verwinden. Ja, als sei es eine persönliche Angelegenheit.
»Komm, sehen wir, was uns erwartet.«
Als sie tiefer in den Tunnel vordrangen, fanden sie besser erhaltene Bilder. Sie zeigten riesige Städte, Drachen und marschierende Heere. Auf einem Bild entdeckte Adrien große, schwebende Kugeln, von denen dicke Seile herabzuhängen schienen. Die Seile hielten Holzplattformen, auf denen sich Krieger um Katapulte drängten. »Was ist das?«
Jules hielt die Fackel dicht vor das Bild. »Wolkensammler aus der Zerbrochenen Welt. Sie ähneln am ehesten Quallen, nur dass sie unermesslich viel größer waren und durch die Luft schwebten. Sie lebten einst in einer Welt, von der nun nur noch Trümmer geblieben sind. Sie halfen den Menschen im Kampf gegen die Drachen. Die Geschütze, die du dort siehst, verschossen Speere, so dick wie der Arm eines starken Mannes. Diese Speere vermochten die Drachen zu töten, wenn sie ihr Ziel fanden. Anders als die Drachen segelten die Wolkensammler träge mit dem Wind. Es war leicht, sie auszumanövrieren. Sie haben einen hohen Blutzoll dafür entrichtet, sich für die Sache der Menschen entschieden zu haben.« »Woher weißt du das alles, Jules?«
»Ich habe viel Zeit in Bibliotheken verbracht und in meinem ganzen Leben noch kein einziges nennenswertes Loch gegraben.« Die Worte verletzten Adrien. »Hältst du mich für dumm?«
»Dann hätte ich dich in jener Nacht in Nantour nicht erwählt. Horche auf die Stimme deines Herzens. Was willst du in deinem Leben sein? Ein Ritter oder ein Gelehrter?« »Ein Ritter«, bekannte er.
Der Priester lächelte. »Das wusste ich von unserem ersten Tag an. Du hast die besten Seiten deines Vaters geerbt. Du wirst ein großer Ritter werden. Und für einen Ritter ist es in diesen Zeiten schon sehr ungewöhnlich, wenn er lesen und schreiben kann. Unter deinesgleichen wirst du als Gelehrter gelten. Das muss dir genügen. Du bist kein Mann der Bücher. Du bist ein Krieger. Deshalb bist du auch hier heruntergesprungen, ohne darüber nachzudenken, wie du wieder heraufkommen wirst. Ich kenne dich, Michel Sarti. Und ich schätze dich, auch wenn ich zuweilen ein wenig ruppig bin.«
Das Lob machte Adrien verlegen. Er betrachtete erneut das Bild mit dem Wolkensammler. »Wie groß sind sie gewesen?«
»Größer als jedes andere Tier, das es je gab. Sie waren friedliche Geschöpfe. Bis sie i den Krieg hineingezogen wurden.«
»Was ist geschehen?«
»Irgendwann waren sie nicht mehr friedlich.« Er zuckte mit den Schultern. »Und wie du ja sehen kannst, waren sie sehr groß. Und sie waren mehr als nur Tiere. Sie hatten Verstand. Sie konnten sogar
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