Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
mir ein richtiges Schwert, Falrach«, sagte sie, als er an ihre Seite gelangt war. Jetzt war der Bann gebrochen. Die verbliebenen fünf Krieger fluchten und zogen ihre Klingen, noch immer überzeugt, dass sie mit einer vermeintlichen Hure und deren Leibwächter leichtes Spiel haben würden.
Falrach stürmte vor. Er täuschte einen Stich nach dem Bein des Kriegers vor ihm an. Als dieser tief parierte, hackte er ihm den Arm dicht unter der Armbeuge ab. Ohne weiter nachzudenken, überließ er seinem Körper das Kämpfen. Es war ein blutiger Tanz. Und Emerelle schien ihn nicht minder vollkommen zu beherrschen als er. Nach zehn Herzschlägen lebte nur noch der Bauer.
»Du kommst mit uns«, sagte Emerelle entschieden. »Du wirst uns zum nächsten Fischerdorf führen und uns helfen, ein Boot zu stehlen.«
»Herrin, alles, was ihr sagt… Aber die Dörfer sind voller Krieger. Es sind Hunderte!« Emerelle wischte die Klinge ihres Schwertes an der Tunika eines der Toten ab. »Hast du den Eindruck, dass es mir Schwierigkeiten bereitet, die Krieger der Priesterfürsten zu töten?«
DER SEILTÄNZER
Armand mochte seinen Beruf. Schon als kleines Kind war er von Seilläufern fasziniert gewesen. Nie würde er den Tag vergessen, an dem die Seilläufer gekommen waren und ein Seil quer über den Markt gespannt hatten. Vom Giebel des Rathauses zu den Zinnen des alten Tempelturms. Hoch in der Luft tanzten sie und machten allerlei Kunststücke. Die ganze Stadt war zusammengekommen und hatte ihnen zugesehen. Und in der Nacht hatte sich seine Mutter einen der Seiltänzer in ihr Bett geholt. Diesem Tanz hatte nur er allein zugesehen. Sein Vater war wieder einmal nicht im Haus gewesen. Wie meistens.
Als er elf Jahre alt war, war Armand fortgelaufen. Er wollte aus dem Dreck emporsteigen in den Himmel, so wie die Seiltänzer. Ein Jahr war er über die Landstraßen gewandert, bis er eine Schaustellertruppe fand, die ihn aufnahm. Dann begann die glücklichste Zeit in seinem Leben. Die Zeit, in der er lernte, den Himmel zu erobern.
Als er fünfundzwanzig war, hatte der Himmel seinen Glanz verloren. Er hatte begriffen, dass er immer arm bleiben würde. Drei seiner Lehrmeister hatte er begraben. Zwei mit zerschmetterten Gliedern, weil eine plötzliche Bö sie in den Tod gestürzt hatte. Den dritten hatte ein Fieber hinweggerafft. Er hätte nicht sterben müssen, aber es hatte kein Geld gegeben, einen Heilkundigen zu rufen.
Sie alle waren abseits der Gräberfelder an einem Wegkreuz verscharrt worden. Das war das Schicksal der Heimatlosen. In jenem fünfundzwanzigsten Jahr seines Daseins hatte sein Leben erneut eine Wende genommen. Er war seinem letzten Lehrer begegnet. Dem Mann, der ihm beigebracht hatte, wie man den Tod brachte. Und seit er ihn bei sich aufgenommen hatte, war Armand nicht einen Abend mehr mit knurrendem Bauch ins Bett gegangen.
Jetzt war er zweiunddreißig. Seinen letzten Meister hatte er getötet. Gewissermaßen als sein Meisterstück. Auch in dieser Nacht würde er wieder töten. Tjured schien seinem weißen Ritter nicht sehr gewogen zu sein, sonst hätte er die Wolken vom Himmel vertrieben und die Nacht mit Sternenlicht erleuchtet. Oder er hätte den Priestern eine Eingebung geschickt, dieses eine Mal nicht bis nach Mitternacht im Tempelturm zu beten und zu streiten. Sie fochten darum, auf welche Weise das Wort Gottes unter die Menschen getragen werden sollte. Und ob es statthaft war, dass Tjured künftig seine eigenen Ritter hatte. Armand zog an dem Seil, das vom Dach des Badehauses vorbei am Stumpf der verbrannten Eiche zum Baugerüst am Tempelturm führte. Dass seine eitlen Priester ständig an ihren Tempeltürmen bauten, das war ein Geschenk Tjureds!
Das Seil war straff gespannt. Ein gutes Seil, das nicht zu sehr nachfedern würde, wenn er sich ihm anvertraute. Die Rolle mit dem Haltegriff war frisch geölt. Er würde fast lautlos dahingleiten. Ein Schatten, aus Schatten geboren. Fast fünf Schritt lief das Seil über dem Weg hinweg, den die Priester jede Nacht nahmen, wenn sie endlich ihren Tempelturm verließen. Das war mehr als genug. In der Dunkelheit musste Armand nicht fürchten, dass man das Seil vor der Zeit bemerken würde. Im Gegenteil, wenn sein Plan aufging, würde es den Schrecken noch vertiefen. Es war mit Öl getränkt, um den Hanf geschmeidig zu halten. Und er hatte einen ganzen Tag damit verbracht, fein gemahlenen Schwefel tief in die Faserstränge zu drücken. Es würde wie Zunder brennen, wenn sein
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