Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
Schauspiel vorüber war. Eigentlich schade, dass nur ein paar Priester Zeugen seines Auftritts werden würden. Aber Priester waren ja bekanntermaßen die größten Tratschmäuler. Bis zum Morgen würde die ganze Stadt wissen, was für ein himmlisches Strafgericht den weißen Ritter ereilt hatte.
Armand hatte sich ganz in Schwarz gewandet. So geziemte es sich für ein Geschöpf der Nacht. Nur die Maske, die er anlegen würde, war weiß. Sie war aus einem echten Totenschädel gefertigt. Nur der Vorderteil des Schädels war geblieben. Auf der Innenseite mit Lederstreifen gestärkt, die ihn zugleich auch zusammenhielten. Armands Finger glitten über die kalte Schneide der Sense. Er hatte sie eigens für diese Nacht fertigen lassen.
Das Sensenblatt war dick und schwer wie eine Schwertklinge. Er hatte mit der Sense im Wald verborgen geübt. So tödlich scharf war das Blatt, dass man junge Bäume mit einem einzigen Hieb fällen konnte. Dem würde ein junger Ritter gewiss nicht widerstehen.
Armand hielt inne. Sie hatten im Tempelturm zu singen begonnen. Bald würden die Priester durch das große Portal kommen. Was für ein Glück, dass dieser Michel Sarti nie seine Rüstung ablegte. So würde Armand ihn auch im Dunkeln gut erkennen können. Wie eine Flamme würde er zwischen all den in dunklem Blau gewandeten Priestern erstrahlen. Den Helm unter dem Arm. Mit ernstem Gesicht würde der Ritter zwischen ihnen einhergehen. Wie weit sein Kopf wohl fliegen würde?, überlegte Armand. Vielleicht bis durch das offene Tempeltor?
Der Seilkünstler streifte die schwarzen Handschuhe über und setzte die Schädelmaske auf. Er hakte die Rolle in das Seil und duckte sich hinter den Giebel. Ein letztes Mal prüfte er den Faltenwurf des weiten Kapuzenumhangs. Wie schwarze Flügel würde er sich aufbauschen, wenn er am Seil dahinglitt. Armand wünschte, er könne sich bei seinem Auftritt zusehen. Morgen würde er in unauffälligen Kleidern den Platz vor dem Tempelturm besuchen und sich die Geschichte erzählen lassen. Das war fast genauso gut.
Sein Tod muss wahrlich außergewöhnlich sein, hatte sich sein Auftraggeber gewünscht. Einen ganzen Beutel voller Gold hatte er als Anzahlung bekommen. Zwei weitere Beutel würden folgen, wenn sein Auftraggeber zufrieden war. Armand lächelte selbstsicher. Einen Mord wie diesen hatte es noch nicht gegeben. Im ganzen Königreich würde man davon sprechen, dass ein Dämon oder ein böser Elf aus dem nächtlichen Himmel hinabgeschwebt war, um Michel Sarti am selben Ort zu töten, an dem vor langen Jahren der heilige Guillaume ermordet worden war. Das Tor des Tempelturms öffnete sich. Wie immer trat als Erster ein alter Priester mit einer Laterne hinaus. Armand beobachtete das Konzil schon seit fünf Tagen. Das Gute an Priestern war, dass sie es liebten, Dinge immer auf die gleiche Art zu tun. Sie gaben sich Mühe, dass ihr Tag immer die gleiche Ordnung hatte, ihre Messen immer den gleichen Ablauf. Und immer kam der Alte mit der Blendlaterne zuerst aus dem hohen Turm.
Als Nächstes trat ein Trüppchen Priester ins Freie. Sie waren so tief ins Gespräch versunken, dass sie vermutlich gar nicht mitbekamen, ob es Tag oder Nacht war. Armand langte nach dem Griff der Seilrolle. Mit der Rechten hob er die Sense an. Sie war schwer. Er könnte den weißen Ritter vermutlich zweiteilen, wenn der Hieb ihn am Rumpf traf. Das wäre noch eindrucksvoller als ein enthaupteter Ritter. Und der Rumpf war viel leichter zu treffen als der Hals.
Adrien zögerte. Es war nie gut, seine Pläne im letzten Augenblick zu ändern. Er dachte wieder an die jungen Bäume im Wald, die er mit dieser besonderen Sense gekappt hatte. Ein Mann, der in der Mitte durchgeschnitten wurde, war noch spektakulärer als ein Enthaupteter. Da konnte es keinen Zweifel geben. Armand sah vor seinem inneren Auge, wie die Beine des Ritters noch standen und einen Teil von dessen Torso trugen, während der Oberkörper mit zuckenden Armen auf dem Pflaster lag.
Er ließ die Hand über die schwere Sensenklinge gleiten. Da erschien Michel Sarti im Tor des Tempels. Auch er war tief in Gespräche verstrickt. Er lachte. Der junge Ritter machte einen netten Eindruck. Wenn er den Helm aufgesetzt hatte, wirkte er unheimlich in seiner merkwürdigen Rüstung mit dem silbernen Gesicht. Aber jetzt trug er den Helm unter den Arm geklemmt.
Armand durfte nicht länger zögern. Er dachte an all das Gold und stieß sich vom Dach ab. Fast lautlos glitten die hölzernen
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