Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
eiserne Angel in die Wand geschlagen. Dann noch eine. Er blinzelte. Jemand hatte hier einen Weg bereitet.
Er sah am Fels entlang zurück. Auch dort gab es rostige Griffe. Und eine tiefe Ausbuchtung in der Steilwand schützte vor dem Wasser, das gleich einem Vorhang daran vorbeistürzte. Er hätte länger suchen sollen!
Schlotternd vor Kälte brachte er das letzte Stück Wegs an der Steilklippe hinter sich. Wieder auf den sicheren Stufen angelangt, begann er zu laufen. Ihm musste wieder warm werden! Die Finsternis des Tunnels verschluckte ihn. Hier führte der Weg in sanfter Neigung bergan. Es gab keine Stufen mehr. Dennoch tastete sich Adrien vorsichtig vorwärts. Der Weg schien endlos, bis sich ein blassroter Lichtpunkt am Ende des Tunnels abzeichnete.
Ungeduldig beschleunigte der Junge seine Schritte. Der Lichtpunkt wuchs an. Bald sah er den Himmel im letzten Abendrot. Er war überrascht, dass es noch nicht dunkel war. Als er aus dem Dunkel trat, erstreckte sich vor ihm ein Tal, das sich nach Westen hin öffnete. Es war verschneit. Hunderte Säulen erhoben sich wie ein steinerner Wald. Und noch weit mehr lagen niedergestürzt zwischen Ruinen und Schutthügeln, denen der Winter ein weißes Gewand übergeworfen hatte. Was für eine Stadt hatte hier einst gestanden? Eine Stadt der Paläste? Wozu hatte man so viele Säulen gebraucht? Und warum wuchs hier nichts? Noch bevor der Weg in den Tunnel mündete, hatten sich zumindest vereinzelt Bäume und Büsche am Felsen festgeklammert. Hier aber gab es nichts. Nur Schnee und Ruinen. »Du hast es also geschafft, Adrien.«
Der Junge zuckte zusammen und wich erschrocken ein Stück in den Tunnel zurück. Geröll knirschte unter Schritten. Eine Gestalt in blauem Priestergewand erschien am Eingang. »Ich freue mich von Herzen, dich zu sehen. Du kannst stolz auf dich sein. Du hast einen schweren Weg gemeistert. Jetzt bleibt nur noch eins zu tun …«
Adrien erkannte die Stimme von Bruder Jules. Ihm erschien der Priester hier inmitten der Wildnis noch größer und ehrfurchtgebietender als in der Stadt. Nie war er einem Gottesdiener wie ihm begegnet. Er strahlte wahre Macht aus.
Der Junge lehnte sich an die Felswand. Er fühlte sich zu Tode erschöpft. »Was soll ich noch tun?«
»Ich möchte, dass du mein Schüler wirst. Auch wenn ich mir nicht ganz sicher bin, ob du es wert bist. Ich habe dir ein großes Geschenk zu machen. Ich weiß um deine Vergangenheit und um deine Zukunft. Dein wirklicher Name ist Michel. Michel Sarti! Dein Vater war ein bedeutender Mann, zumindest am Ende seines Lebens. In seiner Jugend hat er einige Dinge getan … Doch das musst du jetzt nicht erfahren. Wichtig ist nur, dass du weißt, dass dich ein außerordentliches Erbe erwartet. Du wirst eines Tages ein gemachter Mann sein. Wenn du ein guter Schüler bist.«
Das kam alles zu schnell und unerwartet für Adrien. Er fühlte sich, als habe ihn ein auskeilendes Kutschpferd getreten. Von seiner Erschöpfung und diesen überraschenden Enthüllungen ganz benommen, vermochte er keinen klaren Gedanken zu fassen. Seine Mutter war eine Dirne gewesen. Es war unmöglich, zu wissen, wer sein Vater war. Völlig unmöglich! Nie zuvor hatte er diesen Namen gehört. Michel Sarti. Aber das würde er nicht erzählen. Ihm stand ein Erbe zu … Und wenn der Priester der Meinung war, es müsse ihm ausgehändigt werden, dann wäre er ja schön blöd, wenn er sich alles verderben würde und mit der Wahrheit über seine Abstammung herausrückte! »Ich bin überrascht, ehrwürdiger …«
Bruder Jules unterbrach ihn mit einer knappen Geste. »Du musst noch eine letzte Probe bestehen, bevor ich dich als Schüler aufnehme. Auch wenn dein Vater als ein Held starb, so war er die meiste Zeit in seinem Leben doch ein elender Hurenbock. Ich bin überzeugt, wenn ich weitersuche, werde ich leicht noch zwei oder drei seiner Sprösslinge auftun. Aber ich bin es müde, alten Huren und leichtfertigen Schankmädchen hinterherzuschnüffeln, um herauszufinden, wer wohl ein Kind von ihm bekommen haben könnte. Also bitte bemüh dich. Und jetzt komm mit.« Er drehte sich ohne ein weiteres Wort um.
Adrien war zu verwundert, um etwas einzuwenden. Was für ein Erbe mochte ihn erwarten? Wie bedeutend war der Besitz seines Vaters wohl gewesen? War er vielleicht ein Adeliger? Er stellte sich vor, dass ihm ein festes Haus und ein Stall voller Pferde gehören könnten. Ein richtiges Bett und eine Tafel, auf die jeden Tag warmes Essen aufgetragen
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