Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
Rücken gegen seine Brust, faltete seine Hände über ihrem Bauch. Melvyn begann leise zu summen. Eine Melodie, die er in den langen Nächten ersonnen hatte, die Silwyna ihn am Albenhaupt allein gelassen hatte. Damals hatte er so gegen seine Ängste angekämpft. Jetzt war dieser Zauber aus Kindertagen verblasst. Seine Hände streichelten über Kadlins Bauch. Die Melodie brach ab. Er begann zu beten, obwohl er nicht an Götter glaubte. Aber dies hier war eine andere Welt. Er würde alles tun, um sie zu retten. Alles!
VON MEUCHLERN UND RITTERN
Adrien sah den Priester ungläubig an. »Du hast die Männer am Baum getötet?« Er erwartete, dass Jules lächeln würde. Oder mit den Augen zwinkern. Wartete auf irgendein Zeichen, das ihm verraten würde, dass es ein Scherz war. Aber es kam nichts.
»Priester tun so etwas nicht.« Kaum dass die Worte über seine Lippen waren, verwünschte er sich stumm. Wie würde Jules das auffassen? Würde er beleidigt sein?
Keine Regung zeigte sich im Antlitz des Priesters. Seine strahlend blauen Augen hielten Adriens Blick stand. Dann nickte Jules sacht. »Ja, so ist es. Priester sollten kein Blut vergießen. Und doch braucht die Kirche Tjureds auch Krieger. Sie braucht sie zum Schutz. Dein Vater war der erste Ritter Gottes. Du wirst seine Nachfolge antreten. Wenn du sein Erbe in dir trägst, und wenn du Disziplin und Selbstlosigkeit übst, dann wirst du ein großer Ritter werden, Michel Sarti.«
Der Name war Adrien noch immer ganz fremd. Es fühlte sich falsch an, so angesprochen zu werden. Ebenso falsch erschien ihm die Vorstellung, ein Ritter zu werden. Er war ein Gassenjunge und Dieb. Der Sohn einer Hure. Bei solch einer Herkunft wurde man nicht Ritter!
»Wie konntest du allein so viele Krieger besiegen?« Er sollte seine Gedanken tief in sich begraben. Das Leben bei Jules war gut. Es gab Essen und einen Schlafplatz. Adrien war es nicht gewohnt, Sicherheit für den nächsten Tag zu kennen. Er würde das nicht aufgeben.
»Ich habe sie nicht alle auf einmal bekämpft. Es hat drei Tage gedauert, sie zu töten.« »Drei Tage …« Er plapperte das nach wie ein Idiot. »Drei Tage! Wie …«
»Lass dich nicht von meiner Kutte täuschen! Was sagt ein Stück Stoff schon aus? Dass ich ein friedlicher Mensch bin?« Er lächelte breit. »Das bin ich ganz gewiss nicht. Die Kunst der Täuschung zu beherrschen, ist im Kampf ebenso wichtig wie ein starker und geübter Schwertarm. Es ist stets von Vorteil, weniger zu scheinen, als du bist. Der schrecklichste Feind ist der Feind, den man nie wirklich zu Gesicht bekommt.« Er tippte sich mit dem Zeigefinger an seine Stirn. »Hier drinnen hausen unsere Dämonen. Nicht in Bäumen, Adrien. Die ersten von Cabezans Stierköpfen habe ich leicht getötet. Sie sahen in mir nur einen wehrlosen Priester und kamen ohne Arg auf mich zu. Sie waren tot, bevor sie begreifen konnten, wie sehr sie sich getäuscht hatten. Ich hing ihre Leichen in den großen Baum. Zusammen mit den Ketten, die sie für ihre Flaschenzüge mitgebracht hatten. Als sieben von ihnen tot waren, kroch Angst in die Herzen der Überlebenden. Schon da hatten sie ihre Selbstsicherheit verloren. Nachdem mehr als dreißig gestorben waren, hatte die Angst sie so sehr im Griff, dass schon der Ruf eines Eistauchers sie vor Schreck zusammenfahren ließ. Wer immer mich sah, starb. Und die Überlebenden wussten nicht, wie die Gefahr aussah, die auf sie lauerte. Sie hatten Angst vor dem Baum, in den ich die Toten hängte. Sie fürchteten den Nebel, der morgens vom Ufer des Flusses aufstieg. Am Abend des dritten Tages war ihre Angst vor dem unsichtbaren Feind größer als die Furcht vor dem Tyrannen Cabezan. Sie gaben ihre Lager auf, schifften sich mit allen Arbeitern ein und kehrten niemals mehr zurück.«
Adrien hatte seine Zweifel, dass ein einzelner Mann in so kurzer Zeit so viele Gegner töten konnte. Wollte Jules ihn beeindrucken? Oder einschüchtern? Dazu wäre diese Geschichte nicht notwendig gewesen.
»Was habe ich falsch gemacht, als ich gegen die Männer Cabezans kämpfte?« Der Junge war von der Frage überrascht. Wollte Jules ihn prüfen? Verzweifelt suchte er nach einer Antwort, mit der er möglichst wenig Schaden anrichten würde. »Mir scheint, dass der Tjuredkirche aus diesen Kämpfen kein Nutzen erwachsen ist«, sagte er schließlich vorsichtig.
Der Priester nickte. »Das ist wahr. Merke dir, ich schätze das offene Wort. Selbst wenn wir einmal verschiedener Meinung sein sollten.
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