Die Elfen von New York
Abwasserkanal drei Strände auf Long Island überschwemmt. Das Gesundheitsamt von Nassau County wurde von Anrufern bestürmt, die von verseuchten Muscheln krank geworden sind.«
Morag las Zeitung, nachdem Kerry sich an einem Gitarrensolo versucht, das Instrument aber bald deprimiert zur Seite gelegt hatte. Ihrer Bewunderung für die New York Dolls tat das jedoch keinen Abbruch, und sie würde immer wieder probieren, deren Soli nachzuspielen.
»Und ein Teenager aus Brooklyn wurde nach einem Streit im Sunset Park niedergestochen.«
»Mmmmmh.«
»Und zwei Straßenräuber haben einen Streifzug durch Midtown gemacht, in fünf Minuten drei Passanten mit dem Messer bedroht und ausgeraubt.«
Kerry zog eine Grimasse. »Vielleicht solltest du mir lieber eine Geschichte aus Schottland erzählen.«
»Wenn du unbedingt willst.«
Morag biß in ein Plätzchen, spülte es mit einem Schluck Bier hinunter und begann.
»James MacPherson war ein berühmter schottischer Räuber und großartiger Fiedelspieler. Er hatte Angst vor niemand, und seine Beutezüge waren legendär. Aber schließlich wurde er gefangengenommen, weil ihn jemand auf dem Marktplatz von Keith verraten hatte. Das war so um 1700. MacPherson war gut Freund mit den Feen, hatte sogar eine glückliche Beziehung zu einer Meerjungfrau, und Meerjungfrauen sind ja so ähnlich wie Feen.
Der berühmteste Geigenbauer der MacPherson-Feen, Red Dougal MacPherson, lebte um die gleiche Zeit, und er mochte MacPherson, den Räuber, sehr gern. Die beiden tranken und musizierten oft zusammen in den Bergen um Banff. Red Dougal brachte James viele Fiedeltechniken der Feen bei, und es hat weder zuvor noch danach ein Fiedel-Duo gegeben, das ihnen das Wasser reichen konnte. Als Dank brachte MacPherson, der Räuber, seinem Lehrer und den anderen MacPherson-Feen Schläuche voll Whiskey und die schönsten Juwelen von seinen Raubzügen mit.
Schließlich waren sie so gute Freunde, daß Red Dougal mit all seiner Handwerkskunst eine Fiedel baute und zur großen Annie MacPherson brachte, dem Oberhaupt des MacPherson-Feen-Clans. Sie zauberte die Fiedel so groß, daß sie auch von Menschen gespielt werden konnte, und Red Dougal schenkte sie James.
Das Instrument hatte einen unvergleichlichen Klang. In den richtigen Händen konnte die Fiedel das Publikum hypnotisieren. Sie konnte einen zum Weinen bringen oder zum Lachen. Sie schickte Krieger in die gefährlichsten Schlachten und sang Babys in den Schlaf. Sie war in ganz Schottland berühmt, und obwohl MacPherson der Räuber sie trug und spielte, galt sie doch als eine der drei großen Artefakte der schottischen Feen und gehörte dem Clan.
Dann wurde MacPherson, der Räuber, verraten und gefangengenommen und vom Sheriff zum Tode verurteilt. Im Gefängnis von Banff saß er hinter Schloß und Riegel. Die Feen versuchten, ihn zu befreien, aber der Sheriff hatte zu viele Tricks von den Engländern gelernt, und dagegen waren wir schottische Feen machtlos. MacPherson saß in seiner Zelle und komponierte eine letzte Melodie, das berühmte ›MacPherson-Lamento‹.
Dank ihrer großen Macht gelang es Annie MacPherson, eine Begnadigung für den Räuber zu erreichen; das ganze schottische Volk war entzückt, denn er hatte nie die Armen beraubt, sondern nur die Reichen. Aber der Sheriff, der wußte, daß der Erlaß unterwegs war, stellte heimtückisch die Rathausuhr eine Stunde vor. So fand die Hinrichtung eine Stunde zu früh statt, und der Begnadigungserlaß kam zu spät.
Als James MacPherson unter dem Galgen stand, spielte er die Melodie, die er in seiner Zelle komponiert hatte, das ›MacPherson-Lamento‹. Die MacPherson-Feen sahen zu und merkten sich die Melodie, deshalb ist sie bis heute lebendig. Dann zertrümmerte der Räuber seine Fiedel vor Wut und schrie der Welt seine Verachtung entgegen. Danach wurde er gehängt.
Und das war das Ende der berühmten MacPherson-Fiedel. Keiner weiß, was aus den Stücken geworden ist.«
Auf dem Sims vor Kerrys Fenster im zweiten Stock hockte Heather und hörte zu.
»Ein Jammer, daß sie verloren ist«, sagte Morag gerade. »Denn Red Dougal war der beste Feenviolinenbauer, den das Land je hatte, und allen Berichten zufolge war die MacPherson-Fiedel das herrlichste Instrument, daß er je gebaut hat.«
Draußen auf dem Fenstersims schlug Heather sich gegen die Stirn. Sie war wie vom Donner gerührt und flatterte so schnell sie konnte zu Dinnie zurück.
Warum Dinnies Geige selbst in seinen Händen, der doch
Weitere Kostenlose Bücher