Die Elfen von New York
sie gut unterzubringen.
Kein Arbeitgeber würde ihnen einen Job geben, solange sie keine Wohnung oder zumindest ein paar saubere Kleider hatten. Aber saubere Kleider waren unerreichbar für jemand, der den ganzen Tag in einem brütend heißen Park schwitzte. Also blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich, so gut es ging, durchzuschlagen, bis sie starben, und das geschah, nach Ansicht vieler anständiger Bürger New Yorks, bei weitem nicht schnell genug.
Ein obdachloser alter Mann setzte sich in der 4. Straße auf den Bürgersteig, um sich auszuruhen, seufzte, schloß die Augen und starb.
»Wieder einer tot«, murmelte Magenta, als sie die Szene betrat. Magenta war selbst eine, wenn auch recht junge, obdachlose Bettlerin.
»Wenn das so weitergeht, hab ich bald keine Soldaten mehr.«
Sie salutierte vor dem gefallenen Krieger und kämpfte sich bis zum Broadway vor, wobei sie ständig nach der persischen Kavallerie Ausschau hielt. Sie war zwar noch ziemlich weit von der Armee des Artaxerxes entfernt und erwartete eigentlich keinen Ärger, wußte aber, daß sie sehr weit in Feindesland eingedrungen war und deshalb auf der Hut sein mußte.
Daheim in England, in Cornwall, war König Tala ganz außer sich wegen der Flucht von Petal und Tulip. Sie waren seine Kinder und rechtmäßigen Thronerben, und ihm war zu Ohren gekommen, daß Rebellen im Feenreich ihn stürzen und Petal und Tulip schon jetzt auf den Thron setzen wollten.
»Such sie!« befahl er Magris, seinem Chefingenieur, »und bring sie zurück.«
Natürlich konnte der Feenkönig von Cornwall nicht wissen, daß zwei der Flüchtlinge in diesem Moment in einem leeren Zimmer in der 4. Straße in New York aufwachten.
Sie begannen auf der Stelle zu streiten.
»Mir ist fürchterlich schlecht.«
»Selbst schuld«, sagte Morag. »So wie du Pilze und Whiskey eingeworfen hast.«
»Was soll das heißen? Schließlich hast du doch deinen neuen Kilt vollgekotzt.«
»Hab ich nicht! Das warst du. Du verträgst eben nichts. Wie schon das berühmte Sprichwort sagt: Gib einer MacKintosh nie ein Glas Whiskey oder eine Fiedel in die Hand!«
»Das ist kein berühmtes Sprichwort.«
»In meinem Clan schon.«
»Morag MacPherson, du bringst mich noch ins Grab. Und wenn du noch ein einziges Mal das Fiedelspiel der MacKintoshs schlecht machst, dann bringe ich dich ins Grab!«
»Als gäbe es ein Fiedelspiel der MacKintoshs, das man schlecht machen könnte!«
Wütend blitzten sie einander an.
»Wo sind bloß die anderen abgeblieben?«
»Keine Ahnung. Wir haben sie aus den Augen verloren, als du ohnmächtig wurdest und ich dir helfen mußte.«
»Ich bin nicht ohnmächtig geworden, sondern du. Die MacPhersons vertragen eben keinen Whiskey.«
»Jede MacPherson-Fee verträgt ihn besser als eine MacKintosh!«
Der Streit wurde immer heftiger und schließlich zu viel für ihre verkaterten Köpfe. Heather stieß einen finsteren schottischen Fluch aus, kletterte aus dem Bett und rieb sich die Schläfen. Sie ging auf das Fenster zu. Die Flügel einer Distelfee taugen bestenfalls für kurze Flüge, und jetzt, geschwächt durch Pilze, Whiskey und Bier und den Jetlag, kostete es Heather große Anstrengung, auf den Fenstersims zu flattern.
Schließlich schaffte sie es und schaute auf die 4. Straße hinunter. Sie schnappte nach Luft. Für eine schottische Distelfee, die nur an Hügel, Schluchten und das stille Dorf Cruickshank gewohnt ist, war es ein verwirrender Anblick. Autos und Menschen überall, Kinder, Hunde, Lärm und auf zwanzig Meter mindestens zehn Läden. In Cruickshank gab es nur einen einzigen Laden und sehr wenig Autos.
»Wo sind wir hier bloß?«.
Morag gesellte sich zu ihr. Ihr erster nüchterner Blick auf diese neue Umgebung ließ sie den Streit vergessen, und sie packte Heather bei der Hand.
»Ich glaube, das muß eine Stadt sein.«
»Was ist eine Stadt?«
»Wie eine große Siedlung, wie viele Dörfer auf einem Haufen. Ich glaube, wir sind in Glasgow.«
»Aber wir waren doch in Com wall«, protestierte Morag. »Cornwall liegt doch nicht in der Nähe von Glasgow, oder?«
Heather schüttelte den Kopf. Ihre Geographiekenntnisse waren so wackelig wie Morags. Seit sie aus Schottland geflohen waren, hatten beide nicht recht gewußt, wo sie sich gerade aufhielten.
Die beiden starrten auf die Straße hinab, wo ein zerlumpter Mann mit einer Plastiktüte kleine Kinder wegschubste und entschlossenen Schritts den Bürgersteig entlangstapfte.
Dieser zerlumpte Mann war
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