Die Elfen
Nur den Kopf konnte er anheben.
»Was hast du mit mir vor? Warum bin ich gefesselt?«
Kurz blitzten zwischen den Schatten zwei Augen auf. Sie hatten die Farbe hellen Bernsteins, wie man ihn manchmal nach schweren Stürmen weiter im Westen an den Ufern des Fjordes fand.
»Wenn Atta Aikhjarto dich geheilt hat, kannst du gehen. Ich lege längst nicht so viel Wert auf deine Gesellschaft, dass ich dich fesseln würde. Er war es, der darauf bestand, deine Wunden zu versorgen .« Der Fremde machte einen seltsam schnalzenden Laut. »Deine Sprache macht einem Knoten in die Zunge. Sie ist ohne jede… Schönheit.«
Mandred sah sich um. Außer dem Fremden, der auf so unheimliche Weise vom Zwielicht umgeben war, war hier niemand. Von den tiefer hängenden Ästen des mächtigen Baumes fielen Blätter wie an einem windstillen Herbsttag und sanken sanft schaukelnd zu Boden.
Der Krieger blickte zur Krone hinauf. Er lag unter einer Eiche. Ihr Laub strahlte in kräftigem Frühlingsgrün. Es roch nach guter, schwarzer Erde, aber auch nach Verwesung, nach fauligem Fleisch.
Ein goldener Lichtstrahl stach durch das Blätterdickicht hinab zu seiner linken Hand. Jetzt sah er, was ihn gefangen hielt: Es waren die Wurzeln der Eiche! Um sein Handgelenk hatte sich fingerdickes, knotiges Wurzelwerk geschlungen, und die Finger waren von hauchzartem, weißem Wurzelgeflecht überzogen. Von dort kam der faulige Geruch.
Der Krieger bäumte sich in seinen Fesseln auf, doch jeder Widerstand war sinnlos. Fesseln aus Eisenbändern hätten ihn nicht fester halten können als diese Wurzeln.
»Was geschieht mit mir?«
»Atta Aikhjarto hat angeboten, dich zu heilen. Du warst vom Tod gezeichnet, als du die Pforte durchschrittest. Er hat mir befohlen, dich hierher zu bringen.« Der Fremde deutete zu den weit ausladenden Ästen hinauf. »Er zahlt einen hohen Preis dafür, das Gift des Frostes aus deinem Körper zu ziehen und deinem Fleisch die Farbe von Rosenblättern zurückzugeben.«
»Bei Luth, wo bin ich hier?«
Der Fremde stieß ein meckerndes Geräusch aus, das entfernt an ein Lachen erinnerte. »Du bist da, wo deine Götter keine Macht mehr haben. Du musst sie verärgert haben, denn eigentlich behüten sie euch Menschenkinder davor, durch diese Pforten zu gelangen.«
»Die Pforten?«
»Der Steinkreis. Wir haben gehört, wie du zu deinen Göttern gebetet hast.« Wieder verfiel der Fremde in meckerndes Lachen. »Du bist jetzt in Albenmark, Mandred, bei den Albenkindern. Das ist ziemlich weit weg von deinen Göttern.«
Der Krieger erschrak. Wer die Pforten zu der jenseitigen Welt durchschritt, war ein Verfluchter! Er hatte genug Geschichten über Männer und Frauen gehört, die in das Reich der Albenkinder geholt wurden. Keine dieser Geschichten nahm ein gutes Ende. Und doch . Wenn man beherzt auftrat, konnte man sie zuweilen dazu bringen, einem einen Dienst zu erweisen. Ob sie von dem Manneber wussten?
»Warum hilft mir Atta Aik… Atta Ajek… die Eiche?«
Der Fremde schwieg eine Weile. Mandred wünschte, er hätte dessen Gesicht sehen können. Es musste wohl ein Zauber sein, der es so beharrlich vor seinen Blicken verbarg.
»Atta Aikhjarto muss dich für bedeutsam halten, Krieger. Bei manchen sehr alten Bäumen, so heißt es, reichen die Wurzeln so tief, dass sie in eurer Welt gründen, Mensch. Was immer Atta Aikhjarto um dich weiß, muss ihm so viel bedeuten, dass er einen großen Teil seiner Kraft für dich opfert. Er nimmt dein Gift in sich auf und gibt dir dafür von seinem Lebenssaft.« Der Fremde deutete auf die fallenden Blätter. »Er leidet statt deiner, Mensch. Und du hast fortan die Kraft einer Eiche in deinem Blut. Du wirst nicht mehr sein wie die anderen deiner Art, und du wirst .«
»Genug!«, unterbrach eine scharfe Stimme den Redefluss des Fremden. Die Äste des Baums teilten sich, und eine Gestalt, halb Mensch, halb Pferd, trat an Mandreds Lager.
Der Krieger schaute das Geschöpf fassungslos an. Nie zuvor hatte er von einer solchen Kreatur gehört. Dieses Mannpferd hatte den muskulösen Oberkörper eines Menschen, der aus dem Rumpf eines Pferdes wuchs! Sein Gesicht wurde von einem in Locken gedrehten schwarzen Bart eingerahmt. Das Haupthaar war kurz geschoren, und ein Goldreif ruhte auf seiner Stirn. Um die Schultern geschlungen trug er einen Köcher mit Pfeilen, und in der Linken hielt er einen kurzen Jagdbogen. Er hätte einen stattlichen Krieger abgegeben, wäre da nicht dieser rotbraune Pferdeleib gewesen.
Das
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