Die Elfen
unter einem Schleier und offenbarte sie nur den Albenkindern. Ihr Name war Sem-la. Nuramon fragte sich, wie sie auf lange Sicht die Tatsache verbergen wollte, dass sie nicht alterte. Der Schleier mochte ihr ein Menschenleben lang hilfreich sein. Doch was geschah dann? Kam dann eine Nichte aus einer fernen Stadt, um ihren Wohlstand zu erben?
Vom Anwesen Sem-las führte ein breiter Gang unterirdisch zu einem Tor, durch das man in das Wohnviertel der Bibliothek gelangte. Nirgendwo hatte Nuramon von solch einer Nähe zwischen den Albenkindern und den Menschen gehört. Sem-la hatte ihm erzählt, dass ihre Beziehungen in die ganze Welt reichten. Sie trieb sowohl mit den Menschen als auch mit anderen Albenkindern und deren Siedlungen Handel. Als Nuramon davon gehört hatte, war ihm zum ersten Mal klar geworden, dass die Welt der Menschen und auch die Zerbrochene Welt kein Exil waren, in das Albenkinder gingen, um von Emerelle unabhängig zu sein. Hier ließ es sich gut leben, auch wenn die Speisen, die Sem-la lieferte, Menschenspeisen waren und an die in Albenmark nicht heranreichten. Doch wer hierher kam, der war an die Menschenwelt gewöhnt.
Über eine breite Treppe erreichte Nuramon endlich den Ort, an den ihn Gengalos verwiesen hatte. Es war eine schmale Halle, die weit in die Höhe reichte. Zur Linken wie auch zur Rechten ragten Regale auf, in denen dicke Folianten ruhten. Nuramon war darüber ein wenig erstaunt, denn in Albenmark vertraute man das Wissen selten Büchern an. Die Eltern lehrten einen, was man wissen musste, und die Weisen erzählten das Bedeutsame. Und wenn man eine Frage hatte, dann wandte man sich an jemanden, der sie beantworten konnte. Nuramon fragte sich im Stillen, wie viele tausend Tiere wohl für all das Pergament dieser Bände ihre Haut hatten lassen müssen.
Aus einer Nische trat ein alter Gnom hervor. »Bist du schwindelfrei?«, fragte er mit krächzender Stimme.
»Ja, das bin ich«, sagte Nuramon.
»Gut, dann muss ich nicht in die Höhe klettern. Ich bin nicht mehr der Jüngste.« Der Alte hielt sich den Rücken. »Ein Leben in dieser Halle! Das bringt zwar Schmerzen, aber sieh nur, wie prachtvoll dies alles ist!« Er deutete in die Höhe.
An jedem der Regale waren schmale Holzstege angebracht, die als Weg dienten. Hoch oben sah Nuramon eine Gestalt. Sie trug einen weiten Umhang und schien neben dem Regal zu schweben. Zwischen den Regalen öffneten sich einige große Nischen in der Wand; offenbar konnte man sich dorthin zurückziehen, um zu lesen. Geschickt platzierte Barinsteine verliehen der gesamten Halle einen feurigen Schein.
»Was führt dich her?«, fragte der Alte.
»Gengalos schickt mich. Hier soll es ein Buch über die Elfe Yulivee geben.«
»Ah, Meister Gengalos! Er hat dich in den richtigen Saal verwiesen. Wir haben hier nicht nur Aufzeichnungen über Yulivee, sondern auch eine Sammlung der Schriften von Yulivee. Es waren eigentlich nur einzelne Erzählungen, aber wir haben sie schließlich zu einem Buch gebunden. Vielleicht interessiert dich das ja.«
Nuramon konnte sein Glück kaum fassen. »Gewiss. Wo kann ich es finden?«
»Du gehst hier bis zum dreiundzwanzigsten Regal und kletterst dann bis zum einhundertvierundfünfzigsten Bücherbrett nach oben. Dort wirst du auf Yulivees Erzählungen stoßen.« Der Gnom trat zu den Regalwänden. »Klettere über die Leitern bis dorthin. Auf dem Steg kannst du dich gut bewegen, da gibt es Sitzbretter, die du hervorziehen und auf denen du Platz nehmen kannst.«
Nuramon nickte nur. Das Regalbrett, das er suchte, mochte fünfzig Schritte über ihm liegen. Das war keine Höhe, die ihm Angst bereitete. Er schaute noch einmal zu der Gestalt hinauf, die er dort oben gesehen hatte.
»Das ist Meister Reilif«, erklärte der Gnom.
»Ein Hüter des Wissens?«, fragte Nuramon leise.
»Ja, er kommt oft hierher und lässt es sich nicht nehmen, selbst bis dort hinauf zu klettern. Du musst wissen, dass ich verpflichtet bin, für den Wissbegierigen jedes Buch zu holen, wenn er es wünscht.«
Nuramon lächelte den Gnom an. »Aber wie du schon gesagt hast: Da ich schwindelfrei bin, brauchst du dich nicht zu bemühen.«
»Ich danke dir, Elf. Und ich bin froh, dass du zu mir gekommen bist. Es heißt, ein Menschensohn befinde sich in der Bibliothek, er habe die Barriere durchbrochen. Ein grober Kerl, der nur säuft und frisst und Schmutz macht.«
»Er heißt Mandred, und er ist einer meiner Gefährten.«
Der Alte wurde rot.
»Wie ist dein
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