Die Elfen
geflochten. Ragna stammte aus der Blutlinie Alfadas', doch Mandred konnte keine Züge seines Sohnes in ihrem Gesicht erkennen.
»Musst du wirklich mit ihm segeln?«, fragte sie schüchtern.
»Das ist eine Frage der Ehre!«
»Zum Henker mit der Ehre!« Ihre Schüchternheit war wie weggewischt. Wut spiegelte sich in ihren Augen. »Du wirst nicht von dort zurückkommen. Niemand kehrt von der Nachtzinne zurück!«
Mandred hielt ihrem Blick stand. Ihre Augen hatten das helle Grün junger Tannentriebe. Sie hielten ein Stück Frühling gefangen. »Ich war schon an vielen Orten, von denen es hieß, dass man von dort nicht zurückkehren würde«, sagte er selbstgefällig.
»Wie wollen zwei Männer gegen hunderte Trolle bestehen? Stürz dich doch gleich von der Klippe ins Meer, wenn du sterben willst, du .« Erschrocken hob sie die Hand vor den Mund. »Das wollte ich nicht sagen. Ich .«
»Warum bedeutet es dir so viel, ob ich lebe?« Und warum bedeutet mir mein Leben so wenig?, fügte er in Gedanken hinzu. Weil ich aus der Zeit gerückt wurde? Lebe, obwohl meine Gebeine seit Jahrhunderten im Grab vermodern sollten?
»Du bist der stattlichste Mann, dem ich jemals begegnet bin. Nicht so wie die großsprecherischen Jünglinge in der Halle meines Vaters. Du bist mit jedem Zoll ein Held.«
Mandred lächelte. »Früher waren es die Männer, die um die Frauen gefreit haben.«
Ragna wurde tiefrot. »So habe ich das nicht gemeint. Ich . Es ist .« Hilflos hob sie die Hände. »Es ist mir nur einfach nicht gleichgültig, dass du morgen in dein Verderben segelst.«
»Und du würdest alles tun, damit ich bleibe?«
Sie schob ihr Kinn vor und sah ihn herausfordernd an. »Das musst du selbst herausfinden. So sehr haben sich die Zeiten nun doch nicht geändert.«
DIE KINDER DER DUNKELALBEN
Nuramon holte tief Luft. Der steile Weg auf den Pass war anstrengend gewesen. Felbion war ihm mit einigem Abstand gefolgt und schritt nun dicht an seiner Seite.
Sie befanden sich zwischen der Baum- und der Schneegrenze. Vor ihnen ging es steil in ein weites Tal hinab. Die Berge ringsum gaben Nuramon ein vertrautes Gefühl. Es mochte sein, dass sie jenen aus seiner Heimat ähnelten, auch wenn er keine offensichtlichen Gemeinsamkeiten erkennen konnte. Vielleicht war sein Gespür feiner als das Auge.
Auf seiner Suche nach den Kindern der Dunkelalben hatte er sich in die Städte der Menschen gewagt und ihre Gesellschaft gesucht, um ihren Geschichten zu lauschen. Die Ohren hatte er stets gut verborgen, sodass ihn jeder für einen Krieger aus dem fernen Westen gehalten hatte. Die Menschen hatten andere Namen für die Dunkelalben und erzählten sich, dass sie sich ihre Opfer unter den Bewohnern des Gebirges suchten und sie in finstere Täler und Höhlen rissen, um dort ihr Fleisch zu fressen.
Nuramon war den Albenpfaden ins Gebirge gefolgt. Die Umgebung hier wirkte alles andere als finster, und in diesen Höhen wirkte die Luft fast so klar wie in Albenmark.
Während des Abstiegs hinab in das weite Tal dachte Nuramon an Noroelle. Während seiner Reise war er an zwei Albensternen vorübergekommen, deren Pfade versiegelt waren. Er hatte seine Kräfte an ihnen versucht, doch es war ihm nicht gelungen, die magischen Barrieren zu durchbrechen. Vielleicht war er bereits an Noroelles Pforte gewesen! Er fragte sich, wie er das Tor erkennen sollte, das zu seiner Liebsten führte. Er wusste keine Antwort. Nur die Hoffnung auf das Orakel bewahrte ihn davor zu verzweifeln.
Bald verbreiterte sich der Pfad und war auch weniger steil, sodass der Elf wieder auf Felbion reiten konnte. Während sie durch die Wälder trabten, dachte er an die Zeit, die er mit Noroelle hatte verbringen dürfen. Die Erinnerung war so machtvoll, dass sie jeden Zweifel tilgte, den er in seinem Innern hegte. Er würde sie eines Tages finden und sie befreien, mit oder ohne Farodin.
Plötzlich blieb Felbion stehen.
Nuramon schaute sich um. Da raschelte es im Gebüsch zu seiner Linken, und zu seiner Rechten regte sich etwas im Schatten der Bäume.
»Wer bist du?«, rief eine Männerstimme in seiner Sprache, jedoch mit einem ungewöhnlich rauen Akzent.
Nuramon wandte nicht einmal den Kopf zur Seite, sondern legte nur die Hand an sein Schwert. »Das werde ich dir und deinen Gefährten gern sagen, wenn ihr mir wie aufrechte Albenkinder begegnet und nicht wie gemeine Strauchdiebe.«
»Das sind große Worte für jemanden, der die Ruhe dieses Tales stört«, entgegnete die Stimme. »Du
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