Die Elfen
in Angst, dass ihm etwas zustoßen könnte und ihnen der nächste Nuramon geboren werden würde.
Der König sprach weiter. »Aber du warst dir sicher, dass dich der Weg wieder hierher führen würde, solltest du dein Leben verlieren. Du sagtest: >Wenn ich sterbe, dann bewahre meine Waffen auf. Im neuen Leben hole ich sie mir wieder.<« Wengalf schüttelte den Kopf. »Damals haben wir gelacht. Wir hätten nicht gedacht, dass der Tod so schnell zu uns kommen würde. Das dort sind deine Waffen. Du warst ein hervorragender Bogenschütze und ein Meister des Schwertes.«
»Ich war ein guter Bogenschütze? Das kann ich kaum glauben.« Zwar konnte Nuramon einigermaßen mit einem Bogen umgehen, doch mit den Meisterjägern aus seiner Heimat durfte er sich kaum messen.
»Du musst dich daran gewöhnen, dass du einst anders warst als nun. Eines Tages wirst du die Barriere durchbrechen, die dich von deiner Erinnerung trennt. Und dann werden deine Fähigkeiten wachsen.«
»So wie deine einst gewachsen sind?«
»Ganz recht. Als wir Seite an Seite gegen den Drachen kämpften, da kannte ich meine vergangenen Leben nur aus den Schriften, die ich mir hinterlassen hatte, sowie aus dem Buch des Königs und den Erzählungen meiner Familie. Auf meinem Sterbebett habe ich Thorwis noch meinen Kampf gegen den Drachen erzählt, damit ich auch im neuen Leben davon erführe. Dann krönten sie mich, denn nie schied ich aus dem Leben, ohne die Krone zu tragen. Und dann starb ich. Doch ich musste mir die Erinnerung nicht mühsam erwerben. Ich erlangte sie in dem folgenden Leben.«
»Wenn du dich erinnerst, dann weißt du auch, wie es ist… zu sterben.«
Wengalf lachte. »Der Tod ist nichts weiter als ein Schlaf. Du nickst ein, und irgendwann wachst du auf. Aber manche von uns träumen. Sie sehen die Alben, sehen das Silberlicht, gewahren die Vergangenheit oder die Zukunft. Was diese Träume bedeuten, das können dir nur die Weisesten sagen.«
»Du meinst Thorwis.«
»Ich habe oft versucht, ihn dazu zu bewegen, mir etwas über die Todesträume zu verraten. Doch er sagt, er habe im Tod noch nie geträumt und könne nicht über Dinge reden, von denen er nichts verstehe.«
»Hast du geträumt?«
»Ja. Doch was immer ich sah, das muss ich für mich behalten, bis das Ende kommt.«
Nuramon fragte nicht weiter. Er schaute hinab auf die Waffen zu seinen Füßen und nahm den Bogen auf. Vielleicht würde er seine Erinnerung zurückbringen. Er wollte wissen, wie er einst in Albenmark gelebt hatte. Und vielleicht hatte er anders als Thorwis im Tode geträumt.
Der Bogen war aus hellem Holz, die Sehne aus einem Material, das Nuramon völlig fremd war. Sie glitzerte im Licht. Es musste einer der Zauberbogen sein, die er aus den Märchen seiner Kindheit kannte.
Er strich über das glatte Holz des Bogens, das nicht gelitten hatte. Ein Duft ließ ihn aufmerken. Er roch an seinen Fingern, dann direkt am Holz. Er kannte dieses Holz besser als jeder in Albenmark. Es stammte von Ceren, dem Baum, aus dem sein Haus gebaut war. Wehmütig dachte er an sein Heim. Er war zu leichtfertig ausgezogen und hatte nicht Abschied genommen wie einer, der nie zurückkehren würde, auch nicht von Alaen Aikhwitan. Mit diesem Langbogen würde er etwas bei sich tragen, das ihn stets an sein Heim erinnerte. Doch woher stammte die Sehne? Sie wirkte wie ein Silberfaden. Er fuhr prüfend mit dem Finger an ihr entlang und zupfte dann an ihr. Sie gab einen klaren Ton von sich, fast wie eine Laute.
»Du hast früher über unsere Armbrüste die Nase gerümpft und gesagt, ein Bogen sei besser.«
»Und? Hatte ich Recht?«
»Eine Waffe ist immer so gut wie der, der sie führt. Demnach war der Bogen der Armbrust überlegen. Nimm ihn! Vielleicht erreichst du im Umgang mit ihm die Höhe, auf der du dich bereits einmal bewegt hast.« Er hob den Köcher auf. »Diese Pfeile haben wir für dich gefertigt. Sie sind ein besonderes Geschenk, denn für uns Zwerge ist der Bogen nicht geschaffen. Aber schau dir die Spitzen an.« Er zog einen Pfeil hervor. Dieser hatte eine Pfeilspitze aus glänzendem Eisen. »Seit dem Tag deines Todes vor über dreitausend Jahren liegen sie hier und haben keinen Schaden genommen. Das ist der Zauber des Zwergenmetalls.«
Jedes Mal, wenn die Zwerge darauf zu sprechen kamen, wann er hier gestorben war, fragte er sich, wie viele Leben zwischen dem damaligen und seinem heutigen liegen mochten. Dreitausend Jahre waren selbst für einen Elfen eine gewaltige
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