Die Elfen
reichte nicht aus, den Gedanken Taten folgen zu lassen. Verzweifelt blickte er an sich hinab. Ganz deutlich konnte er seine Finger sehen, die feinen Linien in seiner Haut. Doch wenn er den Blick hob, dann wurde schon der Steuermann zu einem unsicheren Schemen, obwohl er nur wenige Schritt entfernt stand.
»Der Verderber ist hier«, zischte die Schamanin. Ihre krallenhafte Hand wühlte zwischen den Amuletten, die ihr vom Hals hingen. »Der Devanthar. Er hat ein Tor in das Nichts geöffnet, in die dunkle Leere zwischen den Splittern der Zerbrochenen Welt. Emerelle versucht ihn aufzuhalten. Doch ihre Macht reicht nicht aus. Er . Welch eine Kraft! Er besitzt einen Albenstein!«
Skanga holte ein längliches Jadestück hervor und strich die Rabenfedern zur Seite, die den Stein verborgen hatten. Farodin erkannte fünf Linien in der Jade, die sich zu einem Stern trafen. Besaß diese alte Vettel tatsächlich einen Albenstein? War sie die Hüterin des größten Schatzes ihres Volkes?
Der Stein glühte von innen heraus. Skanga begann einen auf- und abschwellenden Gesang, der nur aus einzelnen Silben bestand.
Erschrockene Rufe erklangen vom Hauptdeck. Farodin blinzelte hilflos. Er konnte nicht mehr sehen, was auf See vor sich ging! »Was geschieht dort draußen?«, rief er verzweifelt. »Sag es mir, ich kann nichts sehen!«
»Boldors Schiff wurde in die Dunkelheit gezogen«, antwortete der Herzog leise. »Jetzt verschwindet eine kleine Kogge, die in den Sog geraten ist. Es sieht aus, als stürzte das Wasser in einen Abgrund.«
Farodin musste daran denken, wie er mit seinen Gefährten auf den leuchtenden Albenpfaden durch die Leere gegangen war. Er erinnerte sich an die Angst, die er dabei empfunden hatte, und an die bange Frage, ob eine Seele für immer verloren ginge, wenn man dort starb.
Der Singsang der Schamanin ging in schrilles Kreischen über. Ihr Griff um seinen Nacken lockerte sich ein wenig, doch Farodin hatte nicht mehr die Willenskraft, gegen Skanga anzukämpfen.
»Noch eine Galeasse ist verschwunden«, sagte Orgrim. »Selbst hier an Bord spüre ich den Sog des Abgrunds. Der schwarze Nebel beginnt sich aufzulösen. Ein Kreis von Licht umgibt die Dunkelheit. Licht und Dunkel ringen miteinander. Blitze zucken durch die Finsternis. Sie reißen Stücke aus dem Dunkel. Es zerfließt…«
Die Schamanin atmete schwer aus und löste ihren Griff nun ganz. Mit einem Mal sah Farodin wieder deutlich. Die schwarze Wolke über dem Wasser war verschwunden. »Das Tor ist verschlossen.« Die Falten in Skangas Gesicht waren tiefer geworden. Sie stützte sich schwer auf die Reling.
Von den Langbooten erklang lautes Jubelgeschrei. Die Trolle waren bis zu den Verteidigern vorgedrungen und vereinten sich mit Menschen und Elfen.
»Sieg!«, rief Orgrim begeistert und reckte seinen Kriegshammer zum Himmel. »Sieg!«
Einzelne Koggen lösten sich aus dem Pulk der ineinander verkeilten Schiffe. Die Ordensritter versuchten verzweifelt, den übermächtigen Trollen zu entkommen.
Vor den Klippen im Westen drehte ein ganzes Geschwader feindlicher Schiffe bei und hielt auf den Ausgang des Fjords zu. Inmitten der Flüchtenden sah Farodin das Flaggschiff. Doch die Trolle aus dem Flottenverband des Königs waren bereits nah. Mit mörderischen Steinsalven vernichteten sie alle Schiffe, denen sie nahe kamen.
»Ich spüre seine Angst«, erklang Skangas heisere Stimme. »Die Königin hat begonnen, einen Zauber zu wirken, der ihn töten kann. Es ist jene Magie, mit der die Alben im Krieg gegen die Devanthar obsiegten. Er versucht einen neuen Stern zu erschaffen.«
Vom fliehenden Koggengeschwader wurden Brandpfeile abgeschossen. Eine Wand von Feuer stieg aus dem Wasser und erfasste etliche Schiffe.
Farodin war erschüttert. Es schien den Menschen nun gleich zu sein, ob sie ihre eigenen Kameraden den Flammen überantworteten. Die Galeassen der Trolle setzten zurück. Dennoch wurden zwei von ihnen ein Raub der Flammen. Eine Brise trieb beißenden Rauch über die See. Er stank nach Öl, verbranntem Fleisch und noch etwas, das dem Elfen zugleich fremd und vertraut war.
»Riechst du das?«, fragte Skanga. »Schwefel! Das ist der Geruch des Täuschers.«
Farodin erinnerte sich daran, den Geruch schon einmal wahrgenommen zu haben. Damals in der Eishöhle. Nur war er dort schwächer gewesen.
Der Trollherzog fluchte herzhaft wegen der feigen Flucht der Feinde und bedachte den Devanthar mit Ausdrücken, die selbst Farodin noch nie gehört
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