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Die elfte Geißel

Die elfte Geißel

Titel: Die elfte Geißel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aurélien Molas
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den Randalierern und fiel mit tränenüberströmtem Gesicht vor ihnen auf die Knie.
    »Bitte, helfen Sie mir!«, schrie sie und umklammerte die Beine eines jungen Maghrebiners.
    »Verdammt, was’n mit dir los?«
    Verdutzt versuchte er sich aus der Umklammerung zu befreien, doch Blandine krallte sich förmlich an seinen Waden fest. Einer der Älteren, kaum sechzehn Jahre, kam dem jungen beur zu Hilfe und stieß sie mit dem Fuß zurück. Sie duckte sich, wie ein Tier, das, plötzlich von einem Scheinwerfer erfasst, in Panik verfällt.
    »Hau ab!«
    »Nein, nein, bitte! Er bringt mich um«, schrie sie und kauerte sich gegen die gekachelte Wand der U-Bahn-Station.
    Ein dünner Blutfaden schlängelte sich durch ihr Haar.
    »Bitte ... ich flehe euch an, helft mir.«
    »Was redest du da?«, fragte einer der Jugendlichen. Er war klapperdürr, und drei Viertel seines Gesichts waren von Akne überzogen.
    »Was geht das uns an?«, stieß der Älteste hervor, der sich kaum aufrecht hielt, mit einem Riesenjoint zwischen den Lippen.
    Er torkelte und wäre beinahe aufs Gleisbett gestürzt. Eine Mischung aus Angel Dust, Bier, Wodka und Hasch versetzte ihn in Trance – ein Rauschzustand, der ihn aggressiv machte. Die drei anderen stanken zwar ebenfalls nach Fusel und Shit, schienen den Trip aber besser zu verkraften.
    »Mademoiselle, du darfst nicht hierbleiben«, sagte der junge Maghrebiner, an den sich Blandine festklammerte.
    Sie schreckte zusammen, von Panik ergriffen, als sie den Bären aus dem Tunnel herauskommen und am anderen Ende der Station auf den Bahnsteig klettern sah. Sie stieß einen gellenden Schrei aus und legte die Hände instinktiv auf den Bauch, um das Leben zu beschützen, das sie in sich trug.
    »Was hat sie bloß?«, schrie der Typ mit dem Akne-Gesicht.
    Blandine konnte nicht antworten – der Schreck versiegelte ihr den Mund. Farben schwirrten vor ihren Augen herum. Eine Arrhythmie der Sinneswahrnehmungen. Sie hörte das Echo des Verdikts in der Form eines ordinären, wütenden Keifens.
    »Die muss abhauen! Die bringt uns nur Ärger!«
    »Ganz genau, Alter.«
    Sie drehten sich zu Rilk um, weniger als drei Meter von ihnen entfernt. Das Gesicht vor Anstrengung angeschwollen, troff er von Schweiß, und die fingerdicken Adern an seinem Hals zuckten.
    »Scheiße, verdammt, was bist du denn für einer?«
    »Das geht dich nichts an, Kameltreiber. Macht, dass ihr hier abhaut«, keuchte er, während er sich die Stirn abwischte.
    Der junge beur ging auf ihn zu, sich zwischen den Kommissar und Blandine schiebend.
    »Ich habe gesagt, du sollst die Fliege machen. Verdammt noch mal, du und deine Kumpel, ihr ...«
    Rilk brachte den Satz nicht zu Ende, denn plötzlich sah er das Funkeln eines Messers, das der junge Maghrebiner aus seinem Gürtel zog. Die Klinge sauste kreuz und quer durch die Luft und durchschnitt den Raum zwischen ihm und dem Kommissar. Rilk räusperte sich, spuckte aus und richtete sich vollkommen auf, wobei er mit einem Mal um mindestens zehn Jahre jünger wurde.
    »Mensch, Pothin, Sie sind wirklich in Form. Ich weiß nicht, wann ich zum letzten Mal so rennen musste«, zischte er.
    Er starrte den Halbstarken an, der noch immer mit dem Messer vor seiner Nase herumfuchtelte.
    »Steck das ein und verdufte. Das Spiel ist vorbei.«
    »Ich glaube, du wirst dich verpissen. Sonst ...«
    »Sonst was?«, fragte Rilk, der sich wieder berappelt hatte.
    Die Selbstsicherheit und die rohe körperliche Stärke, die der Mann ausstrahlte, ließen den Halbwüchsigen einen Schritt zurückweichen. Sein sehniger Körper von vielleicht sechzig Kilogramm war nichts im Vergleich zu dem Doppelzentner an schlagkräftigen Muskeln, der sich vor ihm aufgebaut hatte. Und die fünfzehn Zentimeter gehärteter Stahl, die er in der Hand hielt, erschienen ihm mit einem Mal unzureichend, um die Speckschicht des Kolosses zu durchstoßen. Die anderen Jungs wirkten ebenfalls unschlüssig und warfen nervöse Blicke zum Ausgang, da sie mit dem Gedanken spielten, sich aus dem Staub zu machen. Blandine spürte, dass ihr unverhoffter Beschützer ohne die Unterstützung seiner Gang kniff.
    »Ich ... ich schneid dir die Eier ab«, stammelte er endlich. »Ich werd sie dir abschneiden und ins Maul stopfen.«
    »Die Eier des Bullen fressen!«, schrie der Fixer rechts von ihnen, der in eine bessere Welt abgewandert zu sein schien.
    »Lass mir das Mädchen.«
    »Verpiss dich!«
    »Mit deinem Messerchen bist du aufgeschmissen. Du weißt es, und ich

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