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Die elfte Geißel

Die elfte Geißel

Titel: Die elfte Geißel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aurélien Molas
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das Betriebssystem des feindlichen Rechners stören konnte. Der Trojaner würde die Grundlagen des Systems angreifen und die Schutzmechanismen aktivieren, die verhindern sollten, dass das Programm die Kontrolle über den Zentralspeicher übernahm. Aber das würde nicht genügen, um die Informationen zu beschaffen, die er wollte. Es wäre lediglich eine Ablenkung, die ihm erlauben würde, die Firewall mit Hilfe eines viel besser getarnten Virus zu umgehen. Während der Trojaner den fremden Rechner mit Anforderungen von Modifikationen der IP-Adresse überflutete, konnte sich das Virus installieren und die Verteidigungssysteme von innen infizieren.
    Schweißtropfen perlten an den Achseln und liefen über seine Arme. Seine Finger flogen weiterhin von Taste zu Taste.
    Er wollte in sich gehen, keine Gefühle zeigen und an etwas Schönes denken.
    Aber dann sah er doch nur das Bild der kleinen Amandine vor sich, wie sie ihn im Vernehmungszimmer angeschaut hatte. Ein Bild, das ihm wie mit Keulenschlägen den Grund einhämmerte, warum er sich diesen Abstieg in die Hölle antat, diese Fahrt auf einer Achterbahn, die jeden Moment einstürzen konnte.
    Er hatte keine andere Wahl.
    Hinter dem Schaufenster flirrte die Straße im Widerschein der vorrückenden Flammenwand.
    Er ließ nicht locker. Sein Körper befand sich in einem Ausnahmezustand. Er beugte sich über die Tastatur und durchforstete wie ein Besessener die Liste der Filme, eingetaucht in orangefarbene und rote Streiflichter, die durch das Cybercafé tanzten.
    Er konzentrierte sich ganz auf seinen Sehsinn. Die Lider waren geschwollen wie die Ränder einer Wunde. Jedes Zwinkern war, als würde diese Wunde wieder aufgerissen.
    Zwanzig Minuten waren vergangen. Er überprüfte alles ein letztes Mal. Seine Artillerie stand an der Front, bereit für die Offensive.
    Dichter Rauch drang durch den Spalt unter der Tür. Zoé stürzte herbei, um den Schlitz mit ihren Kleidern abzudichten. Sie wollte noch nicht die Flucht ergreifen. Es war noch Zeit. Und die Besessenheit, mit der Léo bei der Sache war, gab ihr die Kraft, nicht aufzugeben.
    »Ich hab’s«, rief Léo und deutete auf einen Download-Link für die Filme Neverland und Wonderland . »Ruf sofort die Zentrale an. Sag ihnen, sie sollen sich bereithalten und das Sondereinsatzkommando verständigen.«
    »Moment mal, was ... was ist das denn?«, fragte Zoé und zeigte mit dem Finger auf eine Bildschirmeinblendung in schwarzen Buchstaben.
    Wer bietet mit?/LIVE ANGELS WebCam.
    »Nein! Nein! Nein! Verdammt, Léo, die werden sie doch nicht live vergewaltigen!«, schrie sie.
    Er antwortete nicht. Sein Herz hörte nicht auf zu schlagen, sein Blut floss weiterhin durch die Adern, und trotzdem hatte er das Gefühl, zu sterben – hier, vor diesem Bildschirm. Die Person, die die Augen öffnete, war nicht mehr Lieutenant Apolline. In ihm lebte jetzt jemand anders.
    Auf der Webseite, unter den schwarzen Buchstaben, lief ein Countdown:
    Neun Minuten und sechsunddreißig Sekunden.
    Der Geruch des Flammenmeers draußen kündigte das Ende an.
    Léo ging zum Angriff über.

80
Katakomben von Crozant,
Sondereinheit
    Ein Schuss ohne Vorwarnung.
    Das Echo des Knalls hallte dumpf. Explosion in den Ohren. Donner und Stille. Rötliche Spritzer an den Stollenwänden. Broissard sprang aus seinem Versteck und prallte gegen den Mann, den er mit einem Schlag niederstreckte. Er schlug und schlug auf ihn ein. Unter seiner Faust: Blut, Nasenschleim, Speichel. Unter der Wucht eines Hakens, der ihn unvorbereitet traf, platzten ihm die Lippen auf, und sein Kiefer wurde ausgerenkt. Höllische Schmerzen durchzuckten sein Gesicht. Seine Lider zuckten unkontrollierbar. Reflexartig bohrte er seine Finger in den Bauch des Mannes. Mit dem Zeigefinger ertastete er das Einschussloch und steckte diesen bis zum ersten Fingerglied in das Loch.
    Taumelnd richtete er sich auf und zielte auf die Bestie, die sich stöhnend den Bauch hielt.
    Das Heulen des Mädchens hinter ihm lenkte ihn eine halbe Sekunde lang ab. Einen Moment zu lange. Die Gestalt drückte auf den Abzug des Jagdgewehrs. Broissard rührte sich nicht. Der Schuss der Büchse riss ihm die Schulter auf. Er fiel auf die Knie. Ihm schwindelte. Er konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten.
    Der Capitaine klammerte sich an den Schmerz, folgte ihm wie einem Seil, um wieder an die Oberfläche zu gelangen. Er rollte sich auf die Seite, um dem zweiten Schuss zu entgehen. Der Salpeter wirbelte in großen Schwaden

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