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Die elfte Jungfrau

Titel: Die elfte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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in einem hübschen Kleid sehen.«
    Also legte die Begine ihr graues, einfaches Übergewand ab, löste Schleier und Gebände und ließ zu, dass die lange kastanienbraune Flechte in einem golddurchwirkten Haarnetz eingefangen wurde. Ihre Kotte, die lange weiße Tunika, die sie unter der Beginentracht trug, war, wie Frau Barbara wohlwollend bemerkte, zumindest aus feinem Leinen und am Hals in zierliche Falten gelegt. Sie half ihr, die blaue Sukenie darüberzuziehen und die Schnürungen an der Seite festzumachen.
    »Eine schöne schmale Taille hast du. Und breitere Schultern als ich, aber das können wir ausgleichen.«
    Der Saum war mit golddurchwirkten Borten eingefasst, auch der viereckige Halsausschnitt und die Ärmel oberhalb des Ellenbogens, bevor sie sich weit öffneten. Noch zupfte Frau Barbara hier und da an dem schweren Brokat, dann war sie zufrieden.
    »Geh nach unten in die Stube und schau in den Spiegel!«, befahl sie Almut, und diese, als hätte sie sich nie anders als in einem solch eleganten Gewand bewegt, nahm mit einer leichten, anmutigen Drehung die lange Schleppe auf und schritt die Treppe hinab.
    Sie kam nicht bis zum Spiegel, denn in der Stube stand ihr Vater zusammen mit dem Parler Steinheuer und seinem Sohn. Die drei starrten sie mit offenem Mund an. Florens wurde dabei glühend rot.
    »Tochter?«, stieß der Baumeister völlig verblüfft aus. »O Tochter! Du - äh - siehst gut aus.«
    Mit einer kleinen spöttischen Verbeugung nahm Almut das Lob entgegen.
    »Ihr... Ihr seht wunderschön aus!«, stammelte jetzt auch Florens und konnte seine Augen nicht von ihr lassen. »Werdet Ihr... werdet Ihr die Beginen verlassen?«
    »Nein, Meister Florens. Aber es flog mich heute, hier im Schutz meines Vaterhauses, der sündhafte Wunsch an, wieder einmal ein schönes Gewand zu tragen. Frau Barbara war so gütig, mir eines der ihren zu leihen. Und nun habe ich sogar noch den eitlen Wunsch, mich darin in diesem Spiegel zu betrachten.«
    Hastig machte Florens ihr Platz, und Almut stand eine Weile vor der gewölbten, spiegelnden Scheibe und besah ihre Erscheinung. Sie sah anders aus als vor den fast fünf Jahren, als sie das letzte Mal ihre eigenen kostbaren Kleider getragen hatte. Damals war sie erniedrigt worden, hatte Scham und Schuld kennengelernt, war sich ihrer selbst nicht sicher gewesen. Jetzt war es anders. Die Frau im Spiegel hatte eine neue Würde errungen, die nicht durch das Gewand hervorgerufen wurde, sondern die ihrerseits dem Gewand Majestät verlieh.
    Wortlos nahm sie die Schleppe wieder auf und verließ die drei staunenden Männer mit einem kleinen Kopfnicken.
    In der oberen Kammer aber lächelte sie und ließ die Schleppe fallen.
    »Sie ist schön, diese Sukenie. Und es fühlt sich gut an, sich darin zu bewegen. Aber nun will ich wieder zur grauen Begine werden.«
    »Willst du es nicht behalten?«
    »Nein. Es ist Euer Kleid. Ich habe keine Gelegenheit, Derartiges zu tragen.«
    »Auch nicht, wenn du den Herrn vom Spiegel besuchst?«
    Ein wenig ratlos, hob Almut die Schultern, und ihre Stiefmutter bestimmte: »Ich lege es für dich zurück. Wenn du es tragen möchtest, gehört es dir.«
    »Ihr seid überaus großzügig, Frau Barbara.«
     
    Es schlugen die Glocken schon zur Non, der späten Nachmittagsstunde, als Florens anbot, Almut zum Beginenhof zurück zu begleiten. Doch beide waren, jeder aus einem anderen Grund, tief in Schweigen versunken. Erst vor der Pforte hatte sich der junge Parler so weit gesammelt, dass er seine Sprache, wenn auch stockend, wiederfand.
    »Frau Almut, verzeiht. Ich muss Euch etwas sagen.«
    »Nun, Meister Florens, was ist es?«
    »Ihr… Ihr solltet immer schöne Gewänder tragen, Frau Almut. Ich weiß, das Leben als Begine ist höchst ehrenwert und christlich. Aber... aber könntet Ihr nicht auch in der Welt Gutes tun?«
    »Könnte ich, Meister Florens, doch nicht, ohne mich der Munt eines Mannes zu unterstellen.«
    »Ich... ich würde Euch nie... Also, ich würde Euch keine Vorschriften machen, Frau Almut. Ihr hättet ein großes Haus und Gesinde und eine eigene Börse.«
    Almut legte dem jungen Mann, der abwechselnd blass und rot geworden war, freundlich die Hand auf den Ärmel.
    »Ihr tragt mir die Ehe an?«
    »Ja, Frau Almut. Ich würde mich sehr glücklich schätzen, Euch zu meiner Gemahlin zu machen.«
    »Ich würde Euch aber überhaupt nicht glücklich machen, Meister Florens. Ich bin ein gar eigenwilliges Weib mit einer schrecklich scharfen Zunge. Aber Ihr

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