Die elfte Jungfrau
ehrt mich mit Eurer Bitte, und es dauert mich, sie Euch abschlagen zu müssen. Ich habe mein Leben geordnet, wie ich es wünschte. Bitte respektiert das. Ich habe dasselbe auch meinem Vater zu verstehen gegeben.«
Niedergeschlagen stand er vor ihr und ließ die Schultern hängen.
»Ja, natürlich. Dennoch, Frau Almut, gewährt mir die Freundlichkeit und denkt noch einmal darüber nach. Denn auch wenn unsere Väter diese Verbindung wünschen, ist es nicht nur ihrethalben, warum ich Euch frage. Es ist auch … Frau Almut - ich liebe Euch.«
»Danke, Florens. Ihr seid ein aufrechter und anständiger Mann. Aber ich kann Eure Gefühle nicht erwidern.«
Er nickte traurig. Dann riss er sich zusammen und verabschiedete sich recht förmlich.
Almut sah ihm mit einem Bedauern im Herzen nach. Hätte ihr Vater vor Jahren einen Mann wie ihn für sie ausgesucht, sie wäre sicher glücklich geworden. Andererseits …
Sie stand noch immer in Gedanken versunken vor dem Tor zum Beginenhof, als Pitter sie ansprach.
»Frau Begine, ist Euch nicht wohl?«
»Pitter! O doch, nur musste ich eben an etwas denken.«
»An Essen? Dann sehe ich auch immer so leidend aus.«
Von der Erinnerung an die schlichten Bedürfnisse des Magens erquickt, fand Almut zu ihrer gewohnten Heiterkeit zurück und lächelte den Gassenjungen an.
»Hast du heute noch nichts bekommen?«
»Doch schon, aber zu wenig.«
Mit den Worten: »Dann wollen wir Gertrud fragen, ob noch etwas angebrannte Grütze da ist«, öffnete Almut das Tor und betrat den Hof.
Aus dem Backofen am Küchenhäuschen kräuselte sich der Rauch, zwei Mägde schrubbten am Brunnen Betttücher, Teufelchen saß mit peitschendem Schwanz im Kräutergarten, wohl auf der Lauer vor einem Mauseloch. Das träge Schwein wühlte in dem Haufen Gemüseabfälle und ignorierte die beiden mäkeligen Ziegen, die je zwei Kitze säugten. Lukas spielte zwischen ihnen mit einer Strohpuppe, während Corinne und Mettel den Stall reinigten.
»Ist gut, dass Ihr sie aufgenommen habt, Frau Almut. Sie passt nicht zu den Huren oben am Berlich.«
»Nein, weiß Gott nicht. Gertrud?«
»In der Vorratskammer!«, kam es gedämpft zurück. Almut schaute in den Kessel über dem Feuer und schnupperte. Pitter schloss sich an.
»Nix angebrannt!«
»Nein, Linsensuppe mit Fastenspeck.«
»Gut. Übrigens, Frau Almut, habt Ihr den Bertram verpfiffen?«
»Was soll ich gemacht haben?«
»Na, weil er Euch doch gewürgt hat!«
»Um Himmels willen, nein. Was weißt du von Bertram? Er war seit letzter Woche nicht mehr hier!«
»Die Büttel haben ihm am Dienstag in den Turm gebracht. Am Eigelstein.«
Entsetzt sah Almut den mageren Jungen an.
»Wusstet Ihr das nicht?«
»Frau Lena spricht nicht mehr mit uns.«
»Sie wird auch glauben, Ihr hättet ihn verpfiffen.«
»Haben wir aber nicht.«
»Hat aber wer. Und nun ist er in der Tollkammer. Weil es heißt, er ist gefährlich.«
Gertrud hatte die letzten Worte gehört und stellte das Brett mit den ungebackenen Brotlaiben ab.
»Dahin kann ihn nur der Rat schicken«, erklärte sie.
»Wenn jemand ihn angezeigt hat. Magda sollte ihren Bruder fragen. Der sitzt doch im Rat.«
»Gute Idee. Der Junge ist doch kein Narr! Ich muss mit Frau Lena reden.«
Die Meisterin war ebenso entsetzt wie Almut und schickte sofort eine Magd mit einer Nachricht an den Ratsherrn von Stave in die Stadt. Sie billigte auch Almuts Vorhaben, zusammen mit Corinne und Lukas bei der Pastetenbäckerin vorzusprechen, um das Missverständnis auszuräumen.
Frau Lena war kurz angebunden und wollte ihnen die Tür wieder vor der Nase zumachen. Aber Almut stemmte ihre Hand dagegen.
»Was wollt Ihr?«
»Euch bitten, mich anzuhören!«, ersuchte sie sie freundlich. »Wir haben eben erst erfahren, was mit Bertram passiert ist. Glaubt mir, wir sind aufrichtig erschüttert. Unsere Meisterin bemüht sich herauszufinden, wer ihn beschuldigt hat.«
Die Pastetenbäckerin gab ihren Widerstand auf und öffnete die Tür.
»Kommt rein.«
»Das sind Corinne Beckersche und Lukas. Dürfen sie mitkommen?«
»Ja, schon gut.«
»Ich verstehe, dass Ihr böse auf uns seid, aber wir haben mit der Sache nichts zu tun. Was ist passiert, Frau Lena?«
»Die Büttel kamen letzte Woche. Zwei starke Männer. Bertram ging es nach dem Anfall zwei Tage ziemlich schlecht, und er saß ganz still und friedlich in der Ecke und schnitzte an der Madonna. Sie haben ihm die Sachen weggenommen und ihn mit Seilen gebunden, bevor ich
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