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Die elfte Jungfrau

Titel: Die elfte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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bestätigte ihm: »Ganz richtig, Pater.«
    Er seufzte resigniert.
    »Pater, Bertram ist klug, er kann lesen und schreiben und - ich glaube auch, sehr gründlich nachdenken. Er wird Euch keine Schande bereiten.«
    »Wie andere, meint Ihr? Na gut, ich werde mit ihm reden. Mehr kann ich nicht versprechen.«
    »Wann?«
    »Sobald er frei ist.«
    »Und wann wird das sein?«
    »Begine...!«
    »Glaubt Ihr, man wird uns Beginen zu den armen Seelen lassen, um sie zu pflegen, ihnen Trost zu spenden oder mit ihnen zu beten?«
    »Nein!«
    »Pater!«
    »Begine, ich verstehe ja, dass Euer mitleidiges Herz wider alle Vernunft für den Jungen schlägt, aber was Ihr Euch vorstellt, kann nur Ärger verursachen.«
    »Natürlich. Aber Ihr findet wohl: ›Besser eine Hand voll Ruhe als beide Fäuste voll mit Mühe!‹«
    »Begine, Ihr habt eine erschreckend zermürbende Art, den Prediger zu zitieren!«
    »Ja, wenn es notwendig erscheint.«
    Sie gingen wieder in den Kräutergarten, und Almut scheuchte die schwarze Katze, die dort in der Sonne döste, von der Bank.
    »Was soll ich Eurer Meinung nach denn tun, um mir ein paar Fäuste voller Mühen anzuschaffen?«
    »Ist Euch dazu im Turm denn so gar nichts eingefallen?«
    »Doch. Aber nichts, was ohne Aufwand und Hilfe anderer durchführbar wäre. Ich habe mir allerdings den Weg bereitet, jederzeit bei Bertram vorbeischauen zu dürfen. Wie gesagt, wir hatten wenig Zeit, miteinander zu sprechen. Aber er wird sich den Anschein geben, als sei er schwermütig und versuche, seinem Leben ein Ende zu setzen. Zu jenen Irren ruft man dann gewöhnlich einen Priester, um sie von ihrem Vorhaben abzubringen. Bertram wird nach mir verlangen.«
    »Schön. Ihr könntet ihm beispielsweise Eure Kutte überlassen, in der er dann den Turm als Benediktiner verlässt. Allerdings bräuchtet Ihr jemanden, der die Wächter ablenkt, vermute ich.«
    »Nicht nur das, Begine. Habt Ihr wirklich keine Skrupel, mich in der Tollkammer bei den anderen Irrwitzigen zu lassen?«
    »Ach, ich bin sicher, Ihr werdet es als läuternd empfinden. Und ich werde die Wächter überreden, mich zu Euch zu lassen, um Euch Trost zu spenden.«
    »Was Euch besonders beglückend vorkommen muss, wenn ich dabei bis aufs Hemd entblößt, gebunden und gefesselt bin. Nein, ich werde Bertram nicht meine Kutte überlassen. Aber …«
    Und nun vertieften sich die kleinen Fältchen um Pater Ivos Augen.
    Auch Almuts Gedanken machten einige lustige Bocksprünge.
    »Wisst Ihr, Pater, der Novize Lodewig ist Euch sehr ergeben.«
    »In der Tat. Und Euch der Gassenjunge Pitter!«
    »Ich könnte...«
    »Nein, Begine, ich werde! Und nun verlasse ich Euch, denn auf mich warten heute noch einige Fäuste voll Mühen.« Er stand auf und sah kopfschüttelnd auf die Begine hinunter. »Betet zu Maria, der Trösterin der Betrübten, der Stärke der Gerechten, dem Licht der Verirrten und dem Vorbild aller Leidenden.«
    »Ja, Pater, denn sie bewahrt uns vor der Lieblosigkeit und Härte gegen die Armen und ist die Stärke der Kleinmütigen. Möge die barmherzige Mutter und Zuflucht aller Sünder bei Euch sein.«
    Er schenkte ihr ein unerwartet übermütiges Lächeln und verließ den Beginenhof.
     
    »Hoppla, was ist denn mit deinem Pater passiert? Der machte ja eben geradezu ein heiteres Gesicht!«, wollte Clara wissen, die mit einigen Schülerinnen über den Hof kam.
    »Wird wohl das schöne Frühlingswetter sein. Hinter dir giggelt und gackert es ja auch wie eine Schar Hühnchen.«
    »Ich sag’s dir! Kaum eine hat heute ihren Text fehlerfrei gelesen, die Buchstaben auf den Tafeln taumelten nur so umeinander. Sogar unsere stille Lissa hat’s der Fidgin zurückgegeben, als sie sie aufzog. Ganz aufgedreht ist das Mädchen.«
    »Ihr Freund Alfi ist aus dem Turm freigekommen.«
    »Ah, das wird sie aufgemuntert haben.«
    Ob es aber ausschließlich die frühlingshafte Witterung war, die auch ihr Herz so leicht werden ließ, oder ob auch andere Umstände dazu beitrugen, das wollte Almut im Augenblick lieber nicht erkunden.
    Pitter war am nächsten Morgen nicht zum Unterricht erschienen, aber er tauchte auf, als Almut im Refektorium mit Irma, der Seidweberin, die kostbaren golddurchwirkten Seidenborten aufwickelte und in Leintücher verpackte.
    »Frau Almut, ich hab’ eine wichtige Botschaft für Euch!«, verkündete er in Haltung und Ton eines kaiserlichen Herolds.
    »Nun, dann sprich!«
    »Ich mögt die Güte haben, Euch zum Neuen Markt zu begeben und den Meister Krudener

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