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Die elfte Jungfrau

Titel: Die elfte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Oheim ließ, als er mit seiner Mutter in Eure Nachbarschaft zog. Er erinnerte sich daran. Also kann der Schreinemaker es durchaus der Parlerstochter geschenkt haben.«
    Almut nickte dazu.
    »Freitags besucht er regelmäßig die Badestube am Waidmarkt. An dem fraglichen Freitag, an dem Sanna vermisst wurde, war er jedoch nicht dort.«
    »Aha!«
    »Und dann gab Euer Pater Leonhard zu...«
    »Er ist nicht mein Pater.«
    »Stimmt. Jetzt nicht mehr.«
    »Schön. Was gab er zu?«
    »Auf Anregung des Schreinemakers die Anzeige beim Rat erstattet zu haben. Der Schnitzer wollte nicht selbst seinen Neffen beschuldigen, und der Pater war nur zu leicht davon zu überzeugen, der Junge sei ein tollwütiger Irrer.«
    »Dann ist es umso besser, dass Bertram in Eurer Obhut weilt.«
    »Ja. Und nun, Begine, seid Ihr wieder an der Reihe, das Webschiffchen zu bewegen. Ihr habt doch sicher Eure Zeit nicht müßig verbracht?«
    »Nein, Pater. Ich habe Ellen um Ellen Borten gewebt. Ziemlich handfeste. Es ist eine Tätigkeit, die es den Gedanken erlaubt, ihre eigenen Wege zu gehen. Aber leider haben sich dabei mehr Fragen aufgetürmt als Antworten ergeben.«
    »Stellt sie, Begine. Kluge Fragen bergen ihre eigene Erkenntnis.«
    »Ist es eigentlich leicht, einem Menschen das Genick zu brechen?«
    »Fragt mal den Henker!«
    »Oh.«
    »Begine, es ist sicher sehr schwer, wenn sich das Opfer wehrt. Es ist auch sicher nicht einfach bei einem stiernackigen Bauern. Aber wir haben es mit zarten Mädchenhälsen zu tun, und der richtige Griff, das beherzte Zupacken im richtigen Augenblick, wird es einem starken Mann leicht machen.«
    »Vor allem, wenn das Opfer sich nicht wehrt. Das, glaube ich, ist die Antwort, die es zu verfolgen gilt. Ob er sie im Schlaf ermordet hat?«
    »Im Schlaf? Oh, ich verstehe. Ihr geht von einer direkten Verbindung zum Beilager aus.«
    »Ihr sagtet, es könne einen Mann von Sinnen machen.«
    »Ja, aber ihn so weit zu treiben, dass er nicht mehr Herr seiner Handlungen ist, verlangt noch eine Zutat mehr, Begine. Zum Mord aus Wollust braucht es den Dämon. Angst, Eifersucht, auch ein Gefühl der Allmacht oder Schuld.«
    »Ihr meint, es reut ihn, wenn er bei einem Mädchen gelegen hat, und er versucht dann, die Spuren zu beseitigen. Möglicherweise, ohne dass die Handlung seinen Verstand erreicht - ähnlich wie bei Bertram in seinen Anfällen...«
    »Dann wüsste er nicht, was er tut.«
    »Doch es gelingt ihm hernach, den Mord wie einen Unfall aussehen zu lassen. Dann weiß er zumindest, was er getan hat.«
    »Eines ist so schrecklich wie das andere, Begine. Aber er kann auch wissentlich die Mädchen umbringen.«
    »Natürlich. Es braucht nicht die Wollust, um einen Menschen nach dem Beilager umbringen zu wollen«, stellte Almut mit tonloser Stimme fest. »Ich habe mich mit diesem Gedanken gelegentlich selbst getragen.«
    Sie sah zum Fenster hin, von dessen Glasscheiben die Regentropfen rannen.
    »Begine?« Pater Ivos Stimme war tief und weich, und als sie zu ihm schaute, legte sich das Verständnis in seinem Blick um sie wie ein Umhang aus weichem Pelzwerk. »Es muss nicht so sein. Es kann auch die Sterne zum Tanzen bringen und die Tore des Himmels öffnen.«
    Sie schwieg, sah in seine Augen, deren Grau jede Kühle verloren hatte, und erkannte darin die dunkle Flamme der Leidenschaft und der Verheißung. Ein Schaudern überflog sie, und wie ein heißer Springquell breitete sich das sehnsuchtsvolle Verlangen in ihrem Leib aus. Mit einem mühsamen Schlucken senkte sie die Lider.
    »Verzeiht, Begine!«, sagte der Mönch sehr leise.
    Almut räusperte sich und stand auf, um einige Schritte in der Kammer auf und ab zu gehen. Er wartete stumm, bis sie ihre Fassung wiedererlangt hatte. Schließlich fasste sie zusammen: »Sie haben sich nicht gewehrt. Sie haben sich ihm hingegeben. Er nutzte es aus. Ob im Schlaf oder anderweitig.«
    »Wir scheinen auf dem richtigen Weg zu sein. Eure Frage war klug, Begine. Stellt die nächste.«
    »Wo?«, schoss es wie ein Pfeil von ihren Lippen.
    »Ich glaube nicht, dass er sie in seinem Haus umgebracht und dann die Leichen an die verschiedenen Orte gebracht hat. Das wäre zu auffällig. Ich denke, sie starben dort, wo man sie fand.«
    »Ja, aber...«
    »Ich fürchte, Begine, ich muss Eure Gedanken in höchst unkeusche Richtungen lenken.«
    »Hm, ja. Ich bin nicht sehr erfahren in diesen Dingen. Der Gänseteich mag noch hingehen, der Schutz der alten Burgmauer auch. Aber im Stiftsgarten von Sankt

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