Die elfte Jungfrau
und schlug wieder mit dem Wäschebleuel in gleichmäßigem Rhythmus auf das Leinen ein.
»Die am Eigelstein? Wo sie ihr die Gelehrsamkeit einbläuen?«
Gritt nickte und schenkte ihrer Tochter ein zahnlückiges Lächeln.
»Hab’ das ja erst nicht gewollt, aber jetzt zahlt es sich aus.«
»Die Beginen bei Cäcilien, für die ich schon mal die Wäsche mache, sind ganz reinlich!«, wusste auch eine Lohnwäscherin zu bemerken. »Und keusch! Aber sie sind auch schon fast alle grauhaarig.«
Ein Kichern ging durch die Reihen, dann klatschte wieder Leinen auf Holz.
Eine weitere Waschfrau mit einem schweren Weidenkorb kam hinzu, und die knienden Frauen rückten zusammen, um ihr Platz zu machen.
»Anneke, du hier? Du wäschst doch sonst an der Mühlengasse für die Nordmänner?«
»Bin für die Alheid eingesprungen, hat die Gicht.« Anneke kippte die feuchten Hemden aus, die sie am Vortag in Aschenlauge eingeweicht hatte und begann, ihre schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit zu waschen.
»Probst von Maria ad Gradus. Ein Ferkel!«, murrte sie. »Und von wegen Fastenzeit. Das sind Fettflecken vom Schweinebraten, von gelber Eiersoße und weißem Käse.« Nicht ohne Wut knallte die Wäscherin die pröbstliche Leibwäsche auf die Holzplanken, um sie mit dem Bleuel zu bearbeiten. »Gute Verdauung hat er auch!«
Gritt erhob sich ächzend von den Knien und zerrte an dem großen Betttuch.
»Auf, Lissa, hilf mir die Laken auswringen!«
Ihre Tochter packte mit an, und gemeinsam drehten sie es zu einem festen Strang. Dann lösten sie es wieder und betrachteten es kritisch im hellen Licht.
»Sind noch Flecken drin. Am Fußende. Und in der Mitte! Komm, Lissa, spül du es aus. Meine Hände sind so aufgesprungen, dass sie bluten.«
»Tu dir heute Abend die Blätter vom Wasserampfer darauf!«, war der hilfreiche Rat, den eine alte Wäscherin hatte.
»Ich habe eine Salbe, die hilft noch besser. Haben die Beginen der Lissa mitgegeben. Sie bekommen die von dem Apotheker am Neuen Markt. Der das taubstumme Mädchen als Gehilfin hat, die früher bei denen wohnte.«
»Bei dem Hexenmeister? Die Salbe würde ich nicht nehmen. Wer weiß, was da drin ist.«
Anneke schüttelte sich.
»Hexenmeister? Das Erste, was ich höre!«
Begehrlich drehten sich die fünf Wäscherinnen zu Anneke um, die erfreut feststellte, dass sie ein aufmerksames Publikum hatte.
»Na ja, ich hab’s von der Mausfallenkrämerin aufm Alten Markt. Der soll einen Keller haben, so tief, dass er in die Hölle reicht. Und von dort holt er seine Helfer. Er gebietet über die Dämonen, heißt es. Aber dafür braucht er seltsame Zutaten. Manche bekommt er von den Schiffen aus dem Süden. Geheimnisvolle Waren liefern sie ihm. Lebendige Tiere, die keiner hier je gesehen hat. Giftige Schlangen und haarige Spinnen. Wurzeln, die schreien, und Vögel, die Verwünschungen ausstoßen. Aber einiges besorgt er sich auch hier. Fett von den Gehenkten, das Gehirn von ungetauften Säuglingen, den Urin eines Eunuchen und das Blut von Jungfrauen.«
Gritt sah aus, als ob sie die Wasserampferblätter der kostbaren Salbe denn doch vorziehen würde, und Lissa hatte runde Augen bekommen.
»Jungfrauenblut? Glaubst du, er bringt Jungfrauen um?«, stieß sie aus.
»Vielleicht nicht umbringen, davon habe ich nichts gehört. Aber er sammelt ihre Leichen ein. Das ist mal gewiss. Es heißt, er hat einen Keller voller Knochen.«
»Na ja«, meinte die alte Wäscherin, die eine saubere Bruche zusammenfaltete und in ihren Korb legte, mit einem seltsamen Anflug von Humor. »Jungfrauen-Knöschelschen gibt’s in Kölle viele. Vielleicht hat er auch nur ein paar Gebeine von den Jungfrauen der heiligen Sankt Ursula in seinem Keller. Zum Schutz, wisst ihr. Damit die Dämonen nicht zu ihm in die Stube kommen!«
Unglücklicherweise nahm Lissa dieses alberne Gewäsch ernst.
39. Kapitel
D er März war vorübergezogen, und der April gab seinen Einstand mit gar schaurigem Wetter. Heftig prasselten die Graupel gegen die Läden, und klamm und kalt pfiff der Wind um die Ecken der Häuser. Almut, die seit dem Besuch bei Krudener tief in sich gekehrt war, fand noch nicht einmal Trost in der anstrengenden Arbeit an der kleinen Kapelle. Sie hatte Magda auf deren Fragen nur geantwortet, sie wolle sich jetzt wirklich nicht mehr um irgendwelche toten Jungfrauen kümmern, und sich mit geradezu verbissenem Eifer über ihre Brettchenweberei hergemacht. Auf irgendeine seltsame Weise schien ihr diese widerspenstige
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