Die elfte Jungfrau
werden sie verfolgen. Beachtet, Pater, die Kanäle in Ost-West-Richtung führen abwärts zum Rhein hinunter. Die ansteigenden und jene im rechten Winkel dazu zur alten Burgmauer. Manche sind verschüttet, andere enden in Gewölben, ähnlich wie diesem. Versucht, wenn Ihr Euch verirrt, auf jeden Fall zum Rhein zu kommen. Man kommt meistens irgendwo an die Oberfläche.«
»Dann wird er das wohl auch versuchen.«
»Könnte sein. Machen wir uns dran.«
Der Reliquienhändler und der Benediktiner wollten auf der Stelle die Verfolgung des dritten Mannes aufnehmen, der sich irgendwo in Unterwelt von Köln mit einem taubstummen Mädchen aufhielt. Almut indessen kannte Trine besser und vertraute ihrem Einfallsreichtum.
»Wartet! Wenn er Trine dabei hat, dann wird sie wissen, dass sie gesucht wird. Sie wird alles daransetzen, Zeichen zu hinterlassen.«
Aufmerksam schaute Almut sich um und überhörte das drängende Murren von Pater Ivo.
»Man kommt nicht schnell voran in den engen Kanälen. Manchmal muss man sogar kriechen!«, beschwichtigte Esteban ihn. »Frau Almut hat Recht, es wäre gut, irgendeinen Anhaltspunkt zu haben. Dafür lohnt es sich, einen Augenblick nachzudenken.«
»Denkt, Begine!«
Aber es war tatsächlich der Pater, der die erste Spur fand. Auch er hatte sich aufmerksam umgesehen und bückte sich plötzlich nach etwas Glitzerndem auf dem Boden.
»Er sucht nicht nur nach Gebeinen, scheint es. Auch ein Schatzgräber ist er.«
»Pater Ivo!« Almut nahm den geschliffenen Rubin aus seinen Fingern. »Ihr haltet die Lösung in der Hand. Meister Krudener hat hier einen kleinen Notvorrat gelagert. Trine muss ihn mit den Juwelen gelockt haben. Achtet in den Gängen darauf. Vielleicht weisen sie uns den Weg!«
»Manchmal, Begine... Kommt! Aber bleibt vor mir. Und reicht mir die Fackel.«
Sie betraten den finsteren Gang, der hier mannshoch war, jedoch nur so breit, dass sie hintereinandergehen konnten. Esteban führte sie, aber alle achteten sie auf weitere Edelsteine. Der Reliquienhändler fand an einer Kreuzung den nächsten und drückte ihn Almut in die Hand.
»Er hat die Hauptgänge gewählt. Hier entlang.« Er hielt die Fackel einen Moment lang an die Ecke, damit sich der Stein von Ruß schwarz färbte. »Wir wollen ja auch wieder zurückfinden!«, erklärte er.
An der nächsten Kreuzung hielten sie inne und lauschten. Es war sehr still hier unter der Erde, und Almut vermeinte, irgendwo ein Keuchen zu vernehmen. Sie wies in die Richtung.
»Ich glaube, dort gibt es ebenfalls einen Keller, Frau Almut. Unter Sankt Kolumba.«
Es war eine beklemmende Verfolgung, denn den nächsten Seitengang, wo Almut einen blauen Stein fand, mussten sie gebückt durchqueren. Die Fackeln rußten, und die Luft war stickig. Der Staub der Jahrhunderte wirbelte von ihren Füßen auf.
Wieder fanden sie einen Stein, und diesmal wusste Esteban, wo sie sich befanden.
»Über uns ist die Budengasse. Es gibt einen Eingang zu einem riesigen unterirdischen Saal dort.«
Plötzlich hörten sie das Keuchen deutlicher.
»Wir sind ihnen ganz nahe!«, flüsterte Almut. Diesmal eilten sie, so schnell es eben ging, durch das Dunkel. Eine Abzweigung führte tatsächlich in eine Säulenhalle.
»Da ist er!«
Esteban hatte das Flackern der Lampe entdeckt. Er drückte Almut seine Fackel in die Hand. »Bleibt hier und lenkt ihn ab. Redet mit ihm«, hauchte er in ihr Ohr. Dann verschwand er hinter einer der Säulen.
Jetzt erkannte auch Almut die beiden Gestalten. Trine kämpfte darum, dem Griff des Schreinemakers zu entkommen, der sie hinter sich herzerrte. Sie hinderte ihn beträchtlich. Almut und Pater Ivo holten auf.
»Claas Schreinemaker, gebt das Mädchen frei!«, rief Almut ihn an.
Da blieb Claas plötzlich stehen, stellte die Lampe auf den Boden und zog Trine vor sich.
»Bleibt stehen, wo Ihr seid. Sie hat ein scharfes Schnitzmesser am Hals. Also macht keinen Unsinn!«
Almut sah voll Entsetzen, wie die Taubstumme in einem lautlosen Schrei den Mund öffnete, und hielt ihre Schritte ein.
»Lasst sie los, Claas«, versuchte sie mit ruhig klingender Stimme auf ihn einzureden. »Ihr könnt gehen, wohin Ihr wollt. Aber lasst Trine los.«
»Die Jungfer wird mit mir gehen, wohin ich will!«, höhnte der Schreinemaker, und Almut nahm mit kurzem Verblüffen wahr, dass Trine ihr mit einer Hand dringend signalisierte: »Fackeln nach rechts!«
Ohne sich große Gedanken über den Sinn zu machen, folgte sie dieser Anweisung, und auch Ivo hatte
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