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Die elfte Jungfrau

Titel: Die elfte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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gewahr wurde, das sich am Eingang der Kirche gebildet hatte.
    »Frau Almut«, Bertram zupfte an ihrem Ärmel. »Frau Almut, das ist Meister Krudener. Ich glaube, er sucht Euch. Er drängt sich zu den Beginen durch.«
    Almut schreckte zusammen und sah sich um. In der Tat, des Apothekers hochgewachsene, hagere Gestalt bahnte sich den Weg durch die empörten Gläubigen. Er erkannte sie in diesem Moment und machte ein schnelles Handzeichen.
    »Maria hilf!«, stieß Almut hervor, die darin die Gebärdensprache der Taubstummen erkannte. »Trine ist etwas geschehen.«
    »Was, Frau Almut?«, fragte Bertram, plötzlich aufgeregt.
    »Psst, sei still, Junge!«, forderte Lena, aber Bertram hielt seinen Blick auf Almuts schreckensbleiches Gesicht gerichtet.
    »Sie ist offenbar verschwunden. Ich muss zu dem Apotheker. Lodewig?«
    »Ja, Frau Almut.«
    »Ist Pater Ivo wieder im Kloster?«
    »Ja, er kam gestern Abend.«
    »Kannst du nach drüben schlüpfen und ihn holen?«
    »Ein bisschen schwierig wird das schon.«
    Bertram mischte sich ein, ein triumphierendes Lächeln im Gesicht.
    »Ich mache das schon, Lodewig. Keine Angst, wenn es jetzt einen Aufruhr gibt!«
    Und dann bekam der Fallsüchtige einen Anfall, der alles bisher Dagewesene in den Schatten stellte. Er zerrte an seiner Mutter, riss sich die Kleider vom Leib, brüllte wie ein Stier auf der Schlachtbank, spuckte und schäumte, schlug und trat um sich und rang mit dem Infirmarius, der ihn schließlich festhalten und mit Weihwasser besprengen konnte. Kaum berührte ihn das heilige Wasser, da wurde er still und friedlich wie ein Lämmchen.
    Das allerdings bekam Almut nicht mehr mit, sie war durch die aufgeregte Menge nach draußen gelaufen und stand nun bei Meister Krudener, der sie dankbar begrüßte.
    »Kümmert sich jemand um den Jungen?«, wollte er dennoch wissen.
    »Bruder Markus. Aber ich glaube, dieser Anfall war nicht echt. Er tat es, um Lodewig die Möglichkeit zu geben, in die Klosterkirche zu schlüpfen und - ah, da ist er ja auch schon.«
    Pater Ivo kam mit großen Schritten herbeigeeilt.
    »Welchen Aufruhr habt Ihr schon wieder angezettelt, Begine?«
    Der Apotheker schüttelte den Kopf: »Nicht sie, Ivo, ich. Ich bin auf das Äußerste beunruhigt. Als ich soeben nach Hause kam, fand ich die Hintertür geöffnet, meinem Papagei ist der Hals umgedreht worden, und Trine, die in der Vorratskammer arbeiten sollte, ist verschwunden. Ich befürchte das Schlimmste!«
    »Der Schreinemaker?«
    »Sie hatte die irrwitzige Idee, sich als Lockvogel anzubieten!«, erklärte Almut und konnte beobachten, wie die Miene des Paters zu Stein wurde.
    »Ich gehe zum Holzmarkt!«
    »Ich begleite Euch.«
    »Nichts da, Begine.«
    »Ivo, das ist keine Zeit zum Streiten. Wir gehen, und zwar schnell!«
    Es war tatsächlich keine Zeit für eine Auseinandersetzung, und die drei hetzten wortlos über den menschenleeren Alten Markt Richtung Heumarkt. Hier allerdings begegneten sie einem ebenso gehetzten Mann, der ihnen mit einem Ausruf der Erleichterung in den Weg trat.
    »Frau Almut, ich fürchte...!«
    »Wir fürchten auch, Reliquienhändler, haltet uns nicht auf.«
    Doch Almut packte den Benediktiner an seinem weiten Kuttenärmel.
    »Esteban, kommt Ihr von der Werkstatt des Schreinemakers?«
    »Ja, und - o Sankt Joseph, der uns in verzweifelten Lagen hilft - ich habe etwas entdeckt. Ich muss Euch sprechen.«
    »Ist Claas noch dort?«
    »Nein, ausgeflogen!«
    »Pater, wir müssen zur Apotheke. Er wird noch dort sein. Es gibt etwas, das ihn dort anzieht. Meister Krudener, mehr als Trine vermutlich sind es die angeblichen Gebeine!«
    »Frau Almut, Ihr habt wie immer einen klaren Kopf behalten. Eilen wir.«
    Sie wandten sich an Klein Sankt Martin nach Westen und schlugen den Weg durch die Schildergasse ein. Mit dem Rest von Atem, der Almut verblieb, erklärte sie: »Es ist die heilige Ursula, die ihn antreibt.«
    »Hölle und Verdammnis!«, fluchte der Pater. »Es lag auf der Hand!«
    »Gerüchte - im Keller der Apotheke seien Gebeine ihrer Jungfrauen!«, keuchte Almut. »Und Trine war da!«
    Der jetzt geäußerte Fluch war so lästerlich, dass der Reliquienhändler trotz allem ein trockenes Lachen hören ließ.
    »Nicht nur in meiner Zunge, Pater, beherrscht Ihr die Kunst der geharnischten Rede.«
    Dann aber schwiegen sie alle vier und erreichten gleich darauf Krudeners Heim.
    »Leise. Er muss uns nicht gleich hören.«
    Vorsichtig traten sie in das Labor und sahen sich um. Doch lediglich die

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