Die elfte Jungfrau
hatte. Seine Kleider waren blutdurchtränkt, offensichtlich hatte Claas sein Messer einzusetzen gewusst. Besonders schrecklich aber war der klaffende Schnitt, der quer über sein Gesicht verlief.
Trine, die sich wieder gefasst hatte, brachte Kannen mit warmem Wasser. Krudener suchte Leinenbinden und Salben zusammen, und der Pater bemühte sich, Esteban die Kleider auszuziehen. Almut half ihm dabei, auch wenn er ihr einmal einen missmutigen Blick schenkte.
»Pater, Krankenpflege ist unsere Aufgabe.«
»Schon gut«, grollte er.
»Seid Ihr unversehrt?«
»Weitgehend.«
»Was ist vorgefallen?«
»Später.«
Kritisch betrachtete Almut die Schnittwunden an Armen und Schultern.
»Wir sollten einen Bader rufen.«
»Wir sollten besser kein Aufsehen erregen.«
»Nein, das sollten wir wirklich nicht. Dieser Mann schwebt am Rande des Todes. Was ein Bader für ihn tun kann, kann ich auch. Wir wollen doch nicht, dass er in diesem Zustand in den Turm gebracht wird.«
»Nein, das sollte er wirklich nicht.«
Mit feuchten Tüchern und Tinkturen reinigten Trine und Krudener die Schnitte und verbanden sie. Doch die Gesichtsverletzung ließ auch den Apotheker einmal resignierend mit der Zunge schnalzen.
Als er schließlich versorgt war, meinte er: »Es wäre besser, er käme wieder zu Bewusstsein. Ich will ihm noch einen Fiebertrank geben. Helft mir, ihn etwas aufzurichten.«
Als Esteban ein Polster im Rücken hatte, stöhnte er auf, und das Lid seines unverbundenen Auges flatterte leicht.«
»Ihr seid in der Apotheke, Esteban. Eure Wunden sind verbunden, Ihr seid in Sicherheit.«
»Frau Almut!« Es war nur ein Flüstern, das über seine Lippen kam. »Kümmert Euch um meinen Sohn. Bitte!«
»Aber natürlich. Ich bringe ihn heute noch zu Aziza. Sie wird ihn aufnehmen, bis Ihr wieder gesund seid.«
»Nicht mehr gesund... Der Pater...«
»Er ist hier neben Euch.«
»Pater! Ich will beichten.«
Almut machte umgehend Platz, und der Benediktiner trat an das Lager.
»Ich lasse Euren Beichtiger rufen, wenn Ihr mir seinen Namen nennt.«
»Nein, nein. Ihr. Letzte Beichte.«
»Ihr solltet Euch besser Eurem Pfarrer anvertrauen.« Krudener legte Pater Ivo die Hand auf die Schulter.
»Ihr seid ein Priester, trotz allem.«
»Ihr wisst, ich bin nicht der rechte Mann dafür«, antwortete er leise.
Almut, die diese Weigerung mitgehört hatte, ahnte, was in Pater Ivo vor sich ging. Sie wandte sich an ihn und sagte sanft: »Pater Ivo, wenn ich es dürfte, würde ich es tun. Er bedarf der Sorge um seine Seele. Ihr seid der Mensch, der ihm dabei nun am besten helfen kann. Seid ihm ein Freund.«
Und der Apotheker fügte hinzu: »Ivo, wenn du Öl und Wasser brauchst, so ist alles vorrätig. Wie man es weiht, weißt du selbst.«
Pater Ivo sah die beiden ernst an. Er nickte schließlich und meinte: »Es geht auch ohne das.« Dann beugte er sich über den Verletzten, machte das Segenszeichen über ihn und kniete dann nieder. »Sprich, mein Sohn!«
Almut, Krudener und Trine verließen still den Raum.
»Wird er sterben?«
»Wenn sich die Wunden entzünden und ihn das Fieber schwächt - vielleicht. Aber keine der Verletzungen selbst ist tödlich, und er ist ein kräftiger junger Mann. Nur das rechte Auge, das hat er verloren.«
»Es ist gut, dass der Schreinemaker nicht mehr lebt.«
»Esteban hat ihn umgebracht, und ich denke, das lastet auf ihm.«
»So sehr, dass er sterben möchte, Meister Krudener?«
»Das gibt es.«
»Dann muss man ihm ein Ziel geben, für das es sich zu leben lohnt.«
»So wie Ihr es einst Ivo gegeben habt?«
»Habe ich das?«
»Ich denke schon. Auch er hat einmal dicht an der Schwelle gestanden. Und er ist ein Mann, der seinen Willen durchsetzt. Den zum Leben und den zum Sterben.«
»Dann will ich mit Esteban über seinen Sohn sprechen, denn Fabio liebt er sehr.«
»Tut das auf jeden Fall!«
Krudener schenkte Almut einen Becher gewürzten Weines ein, und sie nippte gedankenverloren daran. Der Apotheker kümmerte sich währenddessen um die kleinen Abschürfungen und Kratzer, die Trine abbekommen hatte. Pater Ivo kam nach geraumer Zeit zu ihnen, und Müdigkeit überschattete sein Gesicht.
»Er hat den Wunsch zu sterben?«, fragte Krudener leise.
»Es sieht so aus.«
»Ist er noch bei Bewusstsein, Pater?«
»Ja, Begine. Aber seine Kräfte schwinden.«
»Gebt mir den Trank, den Ihr für ihn gebraut habt, Meister Krudener. Ich will sehen, ob er ihn nicht doch zu sich nimmt.«
Der Apotheker
Weitere Kostenlose Bücher