Die elfte Jungfrau
Kleider tragt.«
»Weinrote Seide schleißt ein wenig, wenn man darin den Mist aus dem Stall schaufelt. Auch wenn es das Schwein entzücken würde.«
»Liebreizenden Beschäftigungen geht ihr auch nach!« Aziza, in besagte weinrote Seide gekleidet, die schwarzen Haare in einem passenden Haarnetz eingefangen, ließ ihre gepflegten, glatten Hände zärtlich über die Nocken eines maigrün schimmernden Gespinstes gleiten.
»Das hier würde zu deinen kastanienfarbenen Haaren wunderbar aussehen.«
»Ganz bestimmt. Vor allem, wenn wir es noch mit schillerndem Pfauenaugenmuster bestickten, goldene Perlen an die Säume nähten und kleine Glöckchen an den gezaddelten Schleppärmeln befestigten.«
»Aber, Frau Almut, das wäre doch gar zu sehr aufgeputzt. Nein, schlicht, nur eine feine Goldborte hier und da am Ausschnitt und für den Gürtel.«
Fabio hatte das ganz ernst eingewandt, und Almut lächelte ihm zu.
»Aziza und ich meinen das nicht ganz ernst, mein Junge. Sie weiß, dass ich dem weltlichen Tand abgeschworen habe.«
»Das ist aber schade, denn Ihr seid ein hübsches Weib!«
Jetzt lachte Almut wirklich auf und machte eine kleine Verbeugung zu dem Jungen hin.
»Danke dir, Fabio. Aber nun wollen wir sehen, welche Wünsche wir meiner Schwester erfüllen können.«
Die beiden Frauen beugten sich in der Werkstatt der Seidweberinnen über die fertigen Bahnen und die in Körben aufgehäuften Seidengarne, die im Morgenlicht wie Juwelen schimmerten. Sie wägten Qualität der Seide, Webart und Farben ab. Aber Almut wollte es scheinen, als ob ihre Schwester nicht so ganz bei der Sache wäre.
»Was hast du, Aziza? Bedrückt dich etwas?«, fragte sie leise, während Fabio sich auf seine höfliche Art bei Judith, Irma und Agnes, den Weberinnen, einschmeichelte.
Ein Schulterzucken war die einzige Antwort.
»Deine Geschäfte scheinen aber gut zu gehen, wenn du dir derart kostbare Seide leisten kannst«, bohrte sie, ein wenig neugierig geworden, nach.
»Ja, ja.«
»Aziza, was ist passiert?«
»Ach, eigentlich nichts von Belang. Nur …«
»Bist du schwanger?«
»Schwester, wie kommst du auf den Gedanken?« Almut stieg die Röte in die Wangen.
»Ist doch … Kann doch …«
»Kann nicht mehr. Er muss seinen dynastischen Verpflichtungen nachkommen. Da ist für mich kein Platz mehr.«
»Oh. Daher.«
»Ja, daher. Einen hübschen Sündenlohn hat er mir gelassen und ein paar feine Schmuckstücke.«
»Er hat dir das Herz gebrochen?«
»Eigentlich dachte ich, ich hätte kein leicht zerbrechliches Herz. Und dass er sich irgendwann um seine Familie kümmern muss, wusste ich auch schon immer. Trotzdem …«
Almut legte ihrer Schwester den Arm um die schlanke Taille.
»Da gibt es wenig Trost, nicht wahr?«
»Wie du weißt.«
Aziza machte sich sacht los und legte noch zwei Garnnocken nebeneinander und entschied sich dann für eine schwere safrangelbe Seide. Eine cremeweiße legte sie ebenfalls dazu.
»Von jeder so viel, dass es für ein Kleid mit Schleppe reicht«, bat sie dann die Seidweberinnen.
»Ist recht, Frau Aziza.«
»Und nun könntest du mir eine Erfrischung anbieten, Almut. Zum Beispiel einen Becher Wein und einen eurer süßen Wecken.«
»Dann komm mit nach nebenan ins Refektorium. Ich will sehen, ob Gertrud welche gebacken hat.«
Doch dazu kamen sie nicht, denn als sie in den großen Speisesaal des Haupthauses traten, der den Beginen neben den Mahlzeiten auch als Aufenthalts- und Arbeitsraum diente, weil in dem Kamin immer ein Feuer brannte, fanden sie erstaunlicherweise Pater Ivo und den Novizen Lodewig dort zusammen mit ihrer Meisterin über einen Stoffballen gebeugt. Magda hob den Kopf, als sie Almuts gewärtig wurde.
»Das Hungertuch von Groß Sankt Martin ist angenagt. Schau dir das an, Almut. Eine prachtvolle Stickerei. Ich frage mich, wer das gefertigt hat, Pater Ivo.«
»Das entzieht sich meiner Kenntnis!«, brummte der Benediktiner kurz angebunden.
Aziza aber warf einen längeren Blick darauf und meinte: »Derart feine Stickereien fertigen die Stiftsdamen von Maria im Kapitol an. Aber nicht um Gottes Lohn!«
»Könnt Ihr das auch, Meisterin?«
»Rigmundis hat geschickte Finger für solche zierlichen Arbeiten. Und auch die Ursula Weverin. Aber, Pater Ivo, auch wir arbeiten nicht nur um Gottes Lohn.«
»Es wird Euch vergütet. Nennt den Preis.«
Magda hob ein wenig erstaunt die Brauen und murmelte dann: »Goldfäden sind teuer, Seidenstickerei verlangt große Sorgfalt …«
»Nennt den
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