Die elfte Jungfrau
offensichtlich gerne weiter dem Bier zugesprochen hätte.
»Wir haben noch einiges an Tagwerk zu erledigen, Franziska, und müssen uns auf den Weg machen. Aber am Sonntag werden wir kommen, um Euch Glück zu wünschen.«
Als Almut und Bela, die den ganzen Weg über außerordentlich gesprächig war und Vermutungen über die bevorstehenden Lustbarkeiten anstellte, sich dem Beginenhof näherten, fiel Almut ein junger Mann auf, der gegenüber dem Eingangstor müßig herumstand. Er machte, auch wenn er stämmig wie ein Bauer war, einen recht gepflegten Eindruck. Seine Stiefel waren sauber, das lederne Wams reichte ihm bis über die Oberschenkel, und ein Filzbarett bedeckte den Großteil seiner aschblonden Haare. Dennoch verursachte seine Art, wie er die Pforte im Auge behielt, der Begine Unbehagen. Gerade als sie sich entschloss, ihn anzusprechen und nach seinem Begehr zu fragen, drehte er sich um und verschwand mit eiligen Schritten in der nächsten Gasse.
»Bela, wenn du wieder Pförtnerdienst machst, behalte diesen jungen Mann im Auge. Mir will das nicht gefallen, wie er hier herumlungert!
6. Kapitel
A uch wenn die Nacht frostig war, spürte sie keine Kälte. Nein, es war ihr wohlig warm, und sie fühlte sich fast ausgelassen glücklich. Obwohl sie gesündigt hatte.
Ja, es war sogar eine große Sünde, eine gewaltige Sünde, eine entsetzliche und furchtbar köstliche Sünde, die sie begangen hatte. Nicht leichtfertig, nein. Sie hatte lange Zeit gebraucht, um wirklich der Verlockung nachzugeben. Über ein halbes Jahr hatte sie mit dem Sehnen und Ziehen in ihrem Herzen, den heißen Schaudern und dem ständigen Flattern im Bauch gelebt. Hatte dem nächtlichen Getuschel ihrer Freundinnen mit angehaltenem Atem gelauscht, ängstlich darauf bedacht, sich nicht zu verraten.
Und dann, ja, dann hatte sie schließlich nachgegeben.
In dieser Nacht war es geschehen.
Ach, wie sanft war sein Mund gewesen, mit dem er zärtlich ihren Hals berührt hatte, dort, an jener empfindlichen Stelle an der Kehle. Wie hatte seine Zunge sich verstohlen zwischen ihre Lippen geschoben und die zarte Haut dort erkundet. Wie liebevoll waren seine Hände, als er die Schnürung ihres Gewandes gelöst hatte und ihren bloßen Leib darunter ertastete. Noch prickelte es, wenn sie nur daran dachte, und ihre Brüste rieben sich, empfindlich geworden, an der weichen Seide ihres Unterkleides. Oh, und wie erschreckend wurde es, als er ihre Röcke langsam nach oben schob und ihre Beine streichelte. Wie wundersam erschreckend und doch so erregend. Langsam hatte er sich weiter und weiter nach oben gewagt, immer wieder gefragt, ob er auch wirklich noch ein Stückchen mehr entblößen dürfe. Hatte sie sich auch anfangs noch ein wenig geziert, so konnte sie doch, als er die weiche Innenseite ihrer Oberschenkel erreicht hatte, nur noch einwilligend seufzen. Und - heilige Jungfrau - dann hatte er Unerhörtes getan. Hatte Heimlichkeiten berührt, von denen sie nie geglaubt hatte, einem Mann zu erlauben, sie anzufassen. Heiß und feucht hatte sie sich angefühlt, und das Zittern und Zucken breitete sich über ihren ganzen Körper aus, während er leise Worte der Ermunterung murmelte. Und dann - ah, sie musste sich sogar jetzt noch auf die Lippen beißen, um nicht lustvoll aufzustöhnen. Stattdessen ergriff sie die Hand des Mannes, der neben ihr durch die dunklen Straßen ging. Er packte sie fest und zog sie zu sich heran.
»Wir sind gleich da, Liebster!«, flüsterte sie.
»Ja, da vorne ist die Immunitätsmauer.«
»Du musst mir darüber helfen!«
»Natürlich.«
»Sehen wir uns morgen wieder?«
»Bald, Mädchen. Bald.«
Er legte seinen Arm um ihre Taille und zog sie zu sich. Mit geschlossenen Lidern hob sie ihren Kopf, um ihm ihre schwellenden Lippen anzubieten.
Er fasste ihren Hinterkopf und zog ihn noch ein wenig zurück. Dann küsste er sie mit großer Leidenschaft, und seine Hände legten sich zärtlich um ihren Hals unter dem weißen Schleier. Sacht fuhren seine Daumen an den pulsierenden Adern auf und ab, und plötzlich wurde es dunkel um sie.
Sie merkte nicht einmal mehr, wie ihr Halswirbel brach.
Mit einem kräftigen Schwung hob der Mann den leblosen Körper auf die Mauer des Ursulastiftes und stieß ihn dann auf die andere Seite hinunter, wo er unter den kahlen Büschen mit einem dumpfen Laut aufschlug.
7. Kapitel
E s erstaunt mich immer wieder, Schwester, dass ihr Beginen derart schöne Seidenstoffe webt und selbst derart scheußliche
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