Die elfte Jungfrau
Preis!«
»Gütige Mutter Gottes, hat dein Pater eine schlechte Laune!«, flüsterte Aziza in Almuts Ohr. Die wollte auffahren und begann schon den Satz: »Er ist nicht...«, doch Lodewig, der das Getuschel mitbekommen hatte, bat ebenso leise: »Seid milde mit ihm, Frau Begine. Er hat ein langes Gespräch mit dem Vater Abt gehabt und viele Arbeiten aufgebürdet bekommen.«
»Ach ja? Ich dachte immer, Arbeiten und Beten sind sein Lebenselixier!«, grollte Almut, die sich nicht wenig darüber ärgerte, dass Pater Ivo sie noch nicht einmal eines Blickes gewürdigt hatte.
»Ungemütliche Arbeiten, Frau Begine. Die Mutter Mabilia von unseren Schwestern in Machabäern war unpässlich und konnte uns nicht empfangen. Deshalb sprachen wir eben im Ursulastift vor und baten um eine Reliquie. Aber die Frau Oberin hat sich geweigert, unserem Vater Abt auch nur ein winziges Knöchelchen zu überlassen.«
»Das wundert mich aber. Sie leben nicht schlecht von dem Verkauf der Gebeine«, mischte sich Aziza ein.
»Na ja, die Frau Oberin hat den Pater recht hochnäsig empfangen, und da hat er ihr auf dieselbe Weise Bescheid getan. Es - ähm - kam nicht gut an.«
»Oh! Ich verstehe!«
Almut kannte zwar die Oberin des Ursula-Stiftes nicht persönlich, wohl aber den Ruf der hochadligen Frauen, die dort ihr gottgefälliges Leben in angemessenem Luxus führten. Sie kannte auch den Benediktiner und konnte sich äußerst lebhaft vorstellen, wie die Unterhaltung zwischen den beiden herrischen Persönlichkeiten verlaufen war. Auch Pater Ivo verfügte über eine unerschütterliche Selbstsicherheit und eine ausreichend verletzende Arroganz, wenn es sein musste. Doch gewöhnlich zeitigte eine solche Konfrontation bei ihm keine schlechte Laune. Aber möglicherweise hatte das vorherige Gespräch mit dem Abt noch weitergehende Auswirkungen gehabt.
Inzwischen waren sich die Meisterin, die eine zähe Verhandlungspartnerin war, und der Pater über den Preis und den Termin einig geworden, und er wandte sich an Lodewig, den er mit einer knappen Handbewegung aufforderte, sich zu verabschieden.
»Wartet, Mönch!«, gurrte Aziza, und unter scheinbaren Mühen wandte sich Pater Ivo um.
»Was wollt Ihr, Maurin?«
»Euch helfen, sonst nichts.«
»Wie könntet Ihr?«
»Oh, sehr einfach. Zum Beispiel, indem ich Euch eine Adresse nenne, bei der Ihr recht schnell an eine Ursulareliquie kommt!«
»Novize, du hast geschwatzt!«
»Ja, Pater Ivo.«
Almut sah den pummeligen Lodewig verdutzt an. Sie hatte ihn schon vor einigen Monaten kennengelernt, und da war er ein verstörter, verschüchterter Jüngling gewesen, der sich nicht traute, den Mund aufzumachen. Irgendetwas in der letzten Zeit hatte ihm aber wohl den Rücken gestärkt. Er sah dem unwirschen Pater aufrecht in die Augen.
»Eine schändliche Angewohnheit!«, raunzte der zurück, und Almut, die sich mehr und mehr darüber erzürnte, dass er sie vollkommen übersah, fügte hinzu: »Ja, ja! ›Alles Reden ist so voll Mühe, dass niemand damit zu Ende kommt‹, nicht wahr, Pater Ivo? Wie löblich, dass Ihr Euch dieser Mühe nicht unterzieht!«
»Ihr, Begine, nehmt diese Mühe bedenkenlos auf Euch!«
»Völlig bedenkenlos. Das ist doch nichts Neues unter der Sonne!«
Da waren sie wieder, die kleinen Fältchen in seinen Augenwinkeln, und erleichtert stellte Almut fest, wie sich die zornige Beklemmung um ihre Brust löste.
»Frau Meisterin, glaubt Ihr, Ihr habt gut daran getan, dieser Begine zu erlauben, die Werke des Predigers Salomo zu lesen?«
»Wenn Ihr mir auch nur eine mögliche Art nennen könnt, Pater, wie ich die Widersetzlichste unter meinen Schutzbefohlenen an irgendetwas hindern kann, das sie sich in den Kopf gesetzt hat, gerne. Ansonsten solltet Ihr, wie auch wir es getan haben, Euch füglich an ihre spitze Zunge gewöhnen und des Weiteren den Rat von Frau Aziza anhören, den sie Euch zu geben gewillt ist.«
Auf diese Weise mit kühler Stimme zurechtgewiesen, nickte der Benediktiner und wandte sich wieder an Aziza.
»Also, Maurin?«
»Sucht Esteban auf, den Reliquienhändler. Er wohnt am Clingelmanns Pütz. Fabio hier ist sein Sohn, er wird Euch führen. Bestellt ihm einen Gruß von mir, Mönch. Dann wird er trotz allem sogar Euch wohlgesonnen sein.«
Fabio war neben Lodewig aufgetaucht und brachte eine freundlichen Verbeugung zustande. Etwas gnädiger gestimmt, ließ sich der Pater zu einem ganzen Satz herab.
»Ich danke Euch, Maurin. Und auch Euch, Meisterin. Ihr habt zwei
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