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Die elfte Jungfrau

Titel: Die elfte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Heilmittel und Kräuter konnte ich recht bald auf eigenen Füßen stehen.«
    »Wie war er damals?«
    »Ivo? Oh, ein brillanter junger Mann. Er hatte an der Sorbonne studiert und in Salamanca gelehrt, war gebildet, weltgewandt und an allem interessiert. Verwegen, energisch und furchtlos, aber auch großzügig und selbstlos.« Mit einem trockenen Lachen fügte er hinzu: »Mehr als ein Weib hat sich die Augen nach ihm ausgeweint.«
    »Das glaube ich Euch. Aber warum habt Ihr begonnen, ihn zu hassen? Was hat er Euch getan, Meister Krudener?«
    »Nichts, wie es scheint. Ich war einem falschen Glauben aufgesessen, wie ich heute weiß. Aber damals erschien mir sein Verhalten in einem anderen Licht. Ich will Euch auch das beichten, Frau Almut, denn ich muss meine Schuld bekennen.«
    Almut schnappte nach Luft.
    »Ich bin doch kein Priester, dass Ihr mir beichten könntet!«
    »Ihr seid die beste Beichtmutter, die ich finden könnte. Darum hört mir zu.«
    Almut schüttelte noch immer ungläubig den Kopf, sah den hageren Mann dann aber an, der mit ernster Miene vor ihr stand.
    »Nun gut, wenn Ihr meint...«
    »In Ivos Begleitung befanden sich damals drei Personen: ein Geschwisterpaar und sein Freund. Bruder und Schwester stammten aus Salamanca, und sie war ein hinreißendes Weib. Sie war eine schwarzhaarige Schönheit, doch nicht nur ihr Körper war Fleisch gewordene Verlockung, auch ihr Geist war klar und ihr Wissen erstaunlich umfassend. Ihr Witz war schnell und manchmal schneidend, und sie konnte jedes Thema bis auf die Knochen sezieren! Ivo und sie waren ein Paar, und mir wollte damals scheinen, als seien sie füreinander geschaffen. Sie folgte ihm, als er mich nach Köln brachte, blieb eine Weile bei ihm und reiste dann zusammen mit ihm wieder ab. Tja, und dann verschwand Ivo ganz plötzlich. Seine Geliebte kam noch einmal bei mir vorbei und klagte über sein treuloses Betragen. Dann verlor ich sie auch aus den Augen. Ich hätte ihr gerne geholfen, denn Ivos Handlungsweise erschien mir schändlich. Es war ein Schock, Frau Almut, als Ihr zusammen mit ihm im vergangenen Jahr bei mir auftauchtet. Ivo, der Freigeist, in der schwarzen Kutte eines Mönchs, eines Mannes, der die Priesterweihen erhalten hatte. Er, ein blendender Denker, ein Visionär, in der muffigen Kutte der Benediktiner. Er schien alles verraten zu haben, worauf einstmals unsere Freundschaft gründete. Er hatte jene Institution vehement abgelehnt und kritisiert, deren er sich jetzt zugehörig zeigte. Ich war entsetzt, Frau Almut. Maßlos entsetzt.«
    »Ja, ich spürte es damals.«
    »Nun weiß ich, er wurde von einem Widersacher der Ketzerei angeklagt, von den Schergen überrascht und in den Kerker geworfen. Dass er dem Scheiterhaufen nur entrann, weil er die Gelübde ablegte, war mir verborgen geblieben. Ich wusste nicht, dass er gezwungen worden war. Ich wollte es nicht glauben.«
    »Ein Mann, deutete er einmal an, der ihm viel Geld schuldete, habe ihn verraten.«
    »Ja, so sind manche Menschen. Dennoch, jenes Weib, das er ohne Abschied verlassen musste, tat mir leid. Ich habe sie tief verehrt.« Meister Krudeners Augen schienen sich in die Nebel der Vergangenheit zu senken, und seltsam tonlos klangen seine nächsten Worte: »Möglicherweise war es auch Neid. Jämmerlich für einen Mann wie mich, denn für die Frauen bin ich verloren. Jene, die mich versklavten, sorgten dafür. Als ich fünfzehn war. Dennoch - ich liebe Frauen - auf meine Art. Ich bewundere sie, achte sie und erfreue mich auch an ihrer Schönheit.«
    In Almut regte sich schmerzliches Mitgefühl. Sie hatte die Gerüchte gehört, aber sein Eingeständnis berührte sie denn doch viel tiefer.
    Aber noch etwas anderes bewegte ihre Gefühle. Es war ein Wurm mit scharfen Zähnen, der an ihr zu nagen begann. Dieser Wurm war gelbgrün und sein Biss von ätzendem Gift. Sein Name war Eifersucht! Er nagte an ihrem Herzen, und als er ihre Zunge erreichte, stellte diese ganz von selbst die Frage: »Ob er sie wohl noch vermisst?«
    Krudeners Blick kehrte so schnell aus der Vergangenheit zurück, dass Almut der Wandel in seinem Gesicht geradezu erschreckte.
    »Nein, ich glaube nicht. Nicht nach so vielen Jahren.«
    »Aber eine so schöne, geistreiche Frau …«
    »… setzt Maßstäbe, meint Ihr? Vielleicht, Frau Almut. Aber Ihr könnt ihr allemal das Wasser reichen.«
    »Ich? Ich bin nicht schön, nicht geistreich, nicht anmutig.«
    »Aber, aber, Frau Almut. Wo bleibt Eure Ehrlichkeit? Ihr habt freiwillig

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