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Die elfte Jungfrau

Titel: Die elfte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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enttäuscht!«
    Almut zuckte zusammen.
    »Womit, Pater?«
    »Ihr habt in der Kirche direkt vorne neben dem Brautpaar gestanden. Ihr habt züchtig die Lider gesenkt und gebannt meinen Worten gelauscht. Und Ihr habt - kein einziges Mal - den Mund aufgemacht, um mit mir zu disputieren!«
    »Uch!«, entfuhr es Almut. »Pater Ivo, das war mir schlicht unmöglich. Ihr habt mich in Eurer prachtvollen Robe derart eingeschüchtert, meine Lippen schienen wie versiegelt!«
    »Meine Robe hat eine solche Gewalt über Euch? Welch vernichtende Erkenntnis! So muss ich nun glauben, mein Einfluss auf Euch hängt nur von dem Gewand ab, das ich trage, und nicht vom Glanz meiner Persönlichkeit.«
    »Aber, Pater, ich erzittere in Ehrfurcht vor Euch jederzeit. Einzig meine Zunge gehorcht mir nicht immer.«
    »Ich fürchte, Ihr werdet Eurem Beichtiger Lügen gestehen müssen, Begine. Nun will ich mich verabschieden, damit es nicht noch mehr werden. Theodoricus hat mir Aufgaben zugewiesen, die mich in der Fastenzeit für eine Weile aus der Stadt führen werden. Doch zur Osterzeit bin ich gewiss wieder hier. Und dann … Ja, dann werden wir sehen. Maria, die verständnisvolle Jungfrau, hüte Eure aufsässige Zunge und wache mit Fürsorge über Euer mütterliches Herz!«
    Er machte ein rasches Segenszeichen, drehte sich dann um und eilte mit wehender Kutte davon.
    Almut sah ihm verdattert nach, dann drückte sie das Tor auf, das unbewacht und nachlässigerweise unverschlossen war. Hinter den sicheren Mauern des Hofes schob sie mit einer so resoluten Bewegung den Riegel der Pforte vor, als ob sie damit auch die verwirrenden Gedanken ausschließen könnte, die wild durch ihren Kopf schossen.
    Es gelang ihr nicht.

12. Kapitel
    D ie Kerzenzieherin sah dem Mädchen mit den honigblonden Zöpfen nach und wandte sich zu der Bürstenbinderin am Nachbarstand.
    »Soll man sie nun bemitleiden oder verdammen, Gevatterin? So jung, und schon in den Krallen des Bösen!«
    »Mitleid? Nein. Sie mag stumm und taub sein, aber sie weiß ganz genau, was sie tut!«
    Tiefsinnig nickte die Kerzenzieherin.
    »Ja, ja. Es heißt, sie beherrscht die schwarzen Künste bald so gut wie ihr Meister. Obwohl... meinem Neffen hat er mal geholfen mit seinen Pillen und Elixieren. Aber - ganz ehrlich - weiter als bis an die Tür trau’ ich mich nicht in seine Apotheke!«
    »Ich setze da keinen Fuß rein, das will ich Euch sagen. Ich hab’ Sachen gehört! Hier seht Ihr, da stellen sich noch immer die Haare auf!«
    Die Bürstenbinderin hatte die Ärmel hochgezogen, und ihre fleischigen Unterarme zeigten eine rechte Gänsehaut.
    Die Mausfallenkrämerin, die die beiden Frauen tratschen sah, kam näher, um mitzuhören, und die Korbflechterin schloss sich ihr an.
    »Von wem sprecht Ihr?«
    »Von dem Meister Krudener. Das war doch eben seine Gehilfin - oder wie immer man das nennen mag -, die hier ihre Kerzen gekauft hat. Trine heißt sie wohl.«
    »Ah, der. Ja, sie wird schon nur seine Gehilfin sein. Zu mehr ist er ja nicht in der Lage, ein Verschnittener wie er.«
    »Weiß man’s?«
    »Mit Hilfe der höllischen Kräfte...«
    »Ah, ja. Es heißt, dass er sie beherrscht. Wie gesagt, ich habe da Sachen gehört …«
    »Was? Erzählt, Gevatterin.«
    Die Bürstenbinderin brauchte keine weitere Aufforderung.
    »Also, der Hinze, der Schwestersohn meiner Schwägerin, der Hanna, der ist doch am Hafen beschäftigt. Als Lastträger. Und der lädt die Schiffe aus, die Waren aus den heidnischen Ländern bringen. Und der sagt, der Krudener ist oft da, um mit den Kapitänen zu verhandeln. Dann werden immer ein paar Ballen für ihn herausgesucht. Niemand weiß, was drin ist. Er kommt mit seinen eigenen Trägern, sagt der Hinze. Aber neulich war’s mal zu viel, und er hat zwei weitere Männer gebraucht. Da sind der Hinze und sein Freund mitgegangen und haben die Ballen auf den Schürreskarren geladen. Ganz komisch sollen die gerochen haben. Und es hat ausgesehen, als wäre was Lebendiges in den Säcken gewesen.«
    Wohliges Gruseln durchschauderte die Zuhörerinnen.
    »Ah, aber es kommt noch schlimmer. Die haben die Sachen dann nicht in die Apotheke gebracht, sondern mussten sie über den Hinterhof zur Kellertreppe bringen. In das Laboratorium hat er sie nicht reingelassen. Wird schon seine Gründe haben. Es tönte ein furchtbares Geschrei aus dem Raum. Ganz barbarische Worte, sagt der Hinze. Wie Zaubersprüche!«
    »Es heißt, der Apotheker habe einen sprechenden Vogel, Gevatterin!«
    »Ach was.

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