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Die elfte Jungfrau

Titel: Die elfte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Reliquienhändler sich am Kopf und nickte dann, ohne verlegen zu wirken.
    »Natürlich. Ein Großteil meiner Vorräte stammt von dort.«
    »Nehmt es mir nicht übel, aber ich denke, wir werden keine Gebeine für unsere Kapelle erstehen. Mir will der Gedanke nicht gefallen, dass die Ruhe der Toten dadurch gestört wird. Und die Wunderwirksamkeit mag wohl auch zu wünschen übrig lassen. Es werden sicher nicht alles Heilige gewesen, die in den alten Gräbern ruhen.«
    »Nein, das nicht. Aber Wunder wirkt der Glaube, Frau Almut, und damit mögen sie wohl doch nützlich sein. Ich habe zumindest bisher keine Reklamationen gehabt.«
    Magda schien nicht ganz folgen zu können, aber sie hatte keine Einwände. Stattdessen nahm sie ein kleines, in wunderbar gepunztes Leder eingebundenes Brevier zur Hand und blätterte darin.
    »Das hier ist erstaunlich schön.«
    »Ja, Frau Magda, das ist es. Und leider nicht verkäuflich.«
    »Nein?«
    Almut kannte den Tonfall ihrer Meisterin. Er bedeutete, dass sie handeln wollte. Fabio hatte es wohl so ähnlich aufgenommen. Er legte die Paternosterschnur, die er gerade fertig aufgefädelt hatte, nieder und meinte: »Es ist das Letzte, was Christine gemalt hat. Wir wollen es zu ihrem Angedenken behalten, Frau Meisterin.«
    »Eine Buchmalerin hat es gestaltet?«
    »Ja, die beste ihrer Art. Sie war unsere Nachbarin hier. Ihr Vater hat es ihr beigebracht, und als seine Augen schlechter wurden, hat sie die Aufträge übernommen.«
    »Warum malt sie jetzt nicht mehr?«
    »Sie starb am Dreikönigstag!«
    Estebans Stimme klang trostlos, Fabios hingegen aufgebracht.
    »Sie wurde im Gedränge vor ein Fuhrwerk gestoßen. Man hat sie umgebracht!«
    »Fabio!«
    »Doch, die Nonnen haben es gesagt!«
    Almut fühlte, wie sich die kalten Hände der Angst um ihr Herz legten.
    »War sie eine Jungfrau?«
    »Sie war eine unverheiratete Frau, ja, noch keine fünfundzwanzig Lenze alt, still und zurückhaltend und von einem feinen Geist durchdrungen.«
    »Wir hatten gehofft...«
    Fabio schluchzte leise auf, und Almut legte ihm die Hand auf die magere Schulter.
    »Das tut mir leid. Auch für Euch, Esteban.«
    Magda legte sorgsam das Brevier wieder auf den Tisch, wenn auch mit einem kleinen wehmütigen Streicheln über den schönen Einband.
    »Ich habe andere Büchlein, Andachtsbilder oder sogar kleine Tischaltärchen, wenn Ihr an so etwas mehr interessiert seid als an Reliquien, Frau Magda!«, meinte Esteban, nun wieder einigermaßen gefasst.
    »Ja, das wäre eine Möglichkeit. Wir werden darüber nachdenken. Wann geht Ihr auf Reisen?«
    »Nicht vor April, wenn die Wege trocken sind und der Rhein kein Hochwasser mehr führt.«
    »Ich denke, wir werden uns in ein paar Tagen wieder melden. Habt für heute Dank für Eure Mühen!«
     
    Eine frühe Dämmerung legte sich schon über die Stadt, die Wolken waren schwer und dicht geworden, und ein kühler Wind wehte durch die Gassen. Schweigend eilten die Beginen zu ihrem Heim zurück, und dort angekommen, bat Magda Almut zu sich in ihre Räume. Sie waren bei weitem die behaglichsten im ganzen Konvent. Es gab ein abgetrenntes Schlafgemach und eine Stube, in der sich neben schön geschnitzten Stühlen, dem Tisch und den dicken Teppichen an Wänden und auf dem Boden auch ein Schreibpult befand. Das ständig brennende Feuer im Refektorium unter ihnen sorgte für eine wohlige Wärme, in hohen Leuchtern brannten Wachskerzen.
    Magda von Stave stammte aus reichem Patrizierhause, und diese Einrichtung entsprach ihrer Vorstellung von Armut.
    »Was war das mit den Knochen der Toten, Almut?«, fragte sie, als sie die Tür hinter sich zugezogen hatte.
    »Zufällig hat mir Meister Krudener neulich in seinem Keller eine alte Grabkammer gezeigt. Dort liegen die Gebeine derer, die wohl vor vielen hundert Jahren hier gelebt haben. Ich dachte, auch Esteban könnte so eine Kammer gefunden haben. Die Knochen waren ganz alt und braun. Und auch wenn es heißt: ›Es ist alles aus Staub geworden und wird wieder zu Staub‹, so ist mir doch nicht wohl bei dem Gedanken, irgendwann in vielen Jahren könnte irgendwer meine Knochen nehmen und sie als Reliquien verschachern.«
    Magda gab ein gequältes Hüsteln von sich, fing sich aber wieder und meinte: »Ah - nun, das erklärt vieles.
    Lassen wir das also mit den Reliquien. Bedauerlich, dass diese Malerin gestorben ist. Übrigens, Almut, kanntest du sie? Du warst plötzlich ziemlich blass geworden!«
    »Nein, ich kannte sie nicht. Nur - Magda - sie

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