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Die elfte Jungfrau

Titel: Die elfte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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sahen, dass der Griff der Begine derber war, als man ihn gewöhnlich von einer Frau erwartete.
    »Aber er ist ein lallender Narr!«, stöhnte ihr Opfer, das nach Luft zu ringen hatte.
    »Er ist dreimal klüger als du, Lump.«
    Almut schüttelte ihn so heftig, bis seine Zähne klapperten. Er versuchte, sich aus den kräftigen Händen zu befreien, und holte zu einem Tritt gegen Almuts Schienbein aus. Sie wich ihm jedoch im letzen Moment aus und nutzte das schwankende Gleichgewicht des Jungen, um ihn mit einem kräftigen Stoß auf den matschigen Boden zu befördern. Er landete zu Füßen von Pater Leonhard.
    »Was geht hier vor, Frau Almut?«, fragte der Priester mit strenger Stimme. »Belästigt Euch dieses Gesindel?«
    »Sie spotten über meinen Begleiter.«
    Pater Leonhard warf einen Blick auf Bertram und nickte.
    »Ich verstehe.« Mit einem anklagenden Blick auf den am Boden sitzenden Jungen mahnte er: »Das ist kein christliches Verhalten, mein Sohn. Steh auf und entschuldige dich!«
    »Warum? Der ist doch nur ein Simpel, zu blöd, auch nur einen Satz gerade herauszubringen!«
    »Auch wenn es so ist, Junge, so hat doch unser Herr Jesus Christus gesagt: ›Selig sind die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich!‹«
    »Er ist nicht arm im Geiste, Pater Leonhard!«, fauchte Almut jetzt auch den Priester an. »Er ist ein gescheiter und fleißiger Jüngling!«
    »Er ist nicht ganz richtig im Kopf, das wissen doch alle!«, begehrte der Gassenjunge auf, der sich aus dem Straßenschmutz erhoben hatte.
    »Pater Leonhard, bläut dem Bengel die christliche Nächstenliebe ein, sonst bin ich versucht, die Weisung der Psalmen zu bemühen. Denn dort heißt es: ›Der Gerechte wird sich freuen, wenn er Rache sieht, und wird seine Füße im Blute des Frevlers baden.‹«
    »Aber, Frau Almut!« Tiefe Empörung klang in Pater Leonhards Ausruf mit. »Wie könnt Ihr so hart sein? ›Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.‹ Das solltet auch Ihr befolgen! Außerdem steht es einem Weib nicht an, die Heilige Schrift zu zitieren«, rügte er sie anschließend noch. »Ihr habt schon einmal den Unwillen der Obrigkeit damit auf Euch gezogen!«
    Almuts hurtige Zunge beachtete die ernste Mahnung Pater Leonhards leider nicht, sondern sprach: »›Es ist kein Mensch so gerecht auf Erden, dass er nur Gutes tue und nicht sündige.‹ Das hat schon der Prediger gesagt, Pater Leonhard. Ich finde immer mehr Weisheit in seinen Worten. Und nun entschuldigt mich, wir haben Geschäfte zu erledigen. Bertram, lass uns gehen.«
    Sie nahm den Jungen am Ärmel und zog ihn mit sich, den verdatterten Pater Leonhard ließ sie grußlos stehen.
    Der junge Übeltäter hatte inzwischen die Gelegenheit genutzt und das Weite gesucht.
    Almuts Schritt war ihrer Stimmung entsprechend energisch, der Schleier über ihrem Gebände flatterte wild bei dem weiten Ausschreiten, und Bertram, schweigend und in sich gekehrt, hatte alle Mühe, ihr zu folgen. Dann hatten sie die Dombaustelle erreicht, und die hoch aufragenden Pfeiler und Spitzbogen des Chores wirkten in ihrer Erhabenheit sogar auf Almuts aufgebrachtes Gemüt lindernd. Sie verlangsamte ihren Gang und blieb dann schließlich stehen, um den Blick bis hinauf zu den Fialen auf den kühnen Bogen schweifen zu lassen. Die Baumeisterstochter empfand tiefe Ehrfurcht vor dem himmelwärts strebenden Gebäude.
    Dann aber wurde sie sich ihres Begleiters wieder bewusst und wollte sich an ihn wenden, um ihn auf die Figuren aufmerksam zu machen, die der Parler von Meister Michael gestaltet hatte. Etwas überrascht sah sie den Jungen auf einem Steinblock sitzen und mit glasigem Blick vor sich hin starren. Angst packte sie.
    »Bertram! Bertram, was ist?«
    Er schüttelte sich und sah sie mit klaren, aber namenlos traurigen Augen an.
    »Keine Sorge, Frau Almut, es geht mir gut.«
    »Nein, das tut es nicht. Dich bedrückt etwas, nicht wahr?«
    Er hob die Schultern, antwortete aber nicht und wollte wieder zu dem Leinensack mit der Heuke greifen.
    »Bertram, es waren nur dumme, törichte Bengel.«
    »Nein, Frau Almut. Sie mögen dumm und töricht sein, aber das ›nur‹ stimmt nicht. Ach, ich bin es so leid. Am liebsten würde ich dort hinaufsteigen und hinunterspringen.«
    Er wies auf den Turmstumpf, auf dem sich der Kran drehte.
    Almut setzte sich zu ihm auf den Steinblock.
    »Ich verstehe. Erst belehrt dich deine Mutter wie einen unreifen Knaben, dann verhöhnen dich die Jungen, dann mische ich

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