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Die elfte Jungfrau

Titel: Die elfte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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auch für uns arbeiten? Unsere Meisterin erwägt, eine Reliquie für unsere neue Kapelle zu erwerben.«
    »Aber ganz gewiss, Frau Almut. Er hat seine Werkstatt am Holzmarkt, in der Südstadt. Es ist ein Häuschen mit roten und weißen Läden, ganz leicht zu finden. Sucht ihn auf und sendet ihm meine Grüße.«
    »Das will ich gerne tun.«
    »Er ist ein guter Bruder, das habe ich Euch ja schon einmal erzählt. Sein Geschäft blüht, das habe ich bemerkt, als wir bei ihm wohnten. Er schnitzt sehr zierliche Reliquiare. Manche sehen aus wie kleine Kirchen, mit hohen Bogen und Fialen. Andere sind wie die Körperteile geformt, die sie beinhalten. Er hat damals gerade an einer Hand gearbeitet, in der ein Fingerknöchelchen der heiligen Katharina eingebracht werden sollte. Ganz wie nach dem Leben. Und für ein paar Tröpfchen von dem Fett, das vom Rost des heiligen Laurentius getropft ist, als man ihn gemartert hat, hat er einen wunderbaren kleinen Tiegel gedrechselt.«
    »Hm!«, brummte Gertrud, und Almut musste sich ein verständnisvolles Kichern verkneifen. Geröstete Märtyrer waren kein passendes Thema zur Fastenzeit.
    »Ursulabüsten fertigt er auch an?«
    »O ja, aber selbstverständlich. Geht mal hoch in meine Kammer, Frau Almut. Da findet ihr eine. Es ist zwar kein Knöchelchen drin, aber ich halte sie auch so für sehr schön. Sie sieht unserer Mutter so ähnlich!«
    Almut folgte der Aufforderung und erklomm die steile Holzstiege. In dem Zimmerchen, nicht unähnlich ihrem eigenen, stand auf einer Truhe eine lebensgroße Büste. Sie zeigte das Gesicht einer älteren Frau, vielleicht nicht ganz passend als Darstellung der jungen Ursula, aber so lebendig gestaltet, dass sie ihr Lächeln erwidern musste. Eine gewisse Ähnlichkeit mit Lena war nicht zu leugnen. Das Holz war in natürlichen Farben bemalt, die Haare fielen in feinen Locken auf die Schulter, und der Ausschnitt des grünen Kleides schien mit feinster Stickerei verziert zu sein. Den oberen Teil des Kopfes konnte man abnehmen, darin war er in der Tat hohl, um die Reliquie aufzunehmen. Beeindruckt von der Kunstfertigkeit des Schnitzers, ging Almut die Treppe wieder hinunter. Gertrud war inzwischen gegangen, und die Pastetenbäckerin heizte gerade den Backofen neu an.
    »Eine wunderbare Arbeit!«
    »Ja, man lobt Claas viel. Er hat vor kurzem mit den Stiftsdamen ein Abkommen getroffen, eine ganze Partie dieser Büsten herzustellen. Sie machen wohl gute Geschäfte mit den Reliquien.«
    »Nun, ich hoffe, auch für uns ist eines seiner Schnitzwerke erschwinglich!«
    »Keine Sorge, Frau Almut, das wird sie schon sein. Ich rede mit meinem Bruder, wenn es so weit ist.«
    »Wir werden schon den rechten Preis bezahlen, Frau Lena...«
    »Nun, nun. Nehmt noch einen Wecken. Er ist ein geschickter Handwerker, der Claas, und Bertram hätte bei ihm in die Lehre gehen sollen. Aber darüber haben wir ja schon einmal gesprochen. Das Einzige, was mir noch Sorgen macht, ist, dass er noch immer alleine lebt. Er wird jetzt bald dreißig und hat noch immer kein Weib gefreit. Dabei habe ich, seit wir nach Köln gekommen sind, immer wieder versucht, ihm passende junge Mädchen vorzustellen. Es ist nicht so, dass er nicht häufig herumtändelt, wisst Ihr. Aber er will sich einfach nicht binden. Ich verstehe das nicht.«
    »Er ist ein gut aussehender Mann, Frau Lena. Wahrscheinlich gefällt ihm der Gedanke nicht, häuslich zu sein. Es gibt solche Männer.«
    Almut dachte daran, wie er Sanna schöngetan und mit Lissa getanzt hatte.
    »Ach ja, möglicherweise wäre er kein guter Ehemann, meint Ihr? Und würde seinem Weib nur Verdruss bereiten?«
    Sie plauderten noch eine Weile, und dann, als die Glocken zur Non schlugen, überquerte Almut die Straße wieder, um sich für den Besuch bei Esteban, dem Reliquienhändler, vorzubereiten.
     
    »Meine Schwester hat mir erzählt, er sei zweiunddreißig Jahre alt und war mit einer Frau in Cordoba verheiratet. Aber sie starb im Kindbett. Vier Jahre später hat er sich in Köln angesiedelt und reist nur noch einmal im Jahr in die spanischen Länder.«
    »Wie alt ist der Junge?«
    »Fabio? Ungefähr elf oder zwölf, glaube ich. Aziza nimmt ihn bei sich auf, wenn Esteban auf längere Reisen geht.«
    »Deine Schwester scheint ihn gut zu kennen.«
    »Er kennt die Familie von Azizas Mutter, Frau Nasreen. Er bringt ihr hin und wieder Nachrichten von dort.«
    »Ach ja.«
    »Möglicherweise ist er auch gelegentlich ihr Liebhaber. Sie mag dunkle

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