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Die elfte Jungfrau

Titel: Die elfte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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war. Zornig drehte sie sich um und stürzte aus dem Laden.
    Die Karamelle stibitzte ihr in der Nacht ihre naschhafte Bettnachbarin. Sie blieb ihr in einem hohlen Zahn kleben, und die Süße reizte den bloß liegenden Nerv, sodass sie heulend vor Schmerzen das gesamte Dormitorium weckte.
    Das Gerücht, Meister Krudener und seine geheimnisvolle Gehilfin seien gefährliche Zauberer, bekam neue Nahrung.

15. Kapitel
    A m kommenden Tag war es wärmer geworden, und Almut fand endlich Gelegenheit, sich wieder dem Bau der Kapelle zu widmen. Sie hatte gegen Mittag die schützende Hülle aus Lehm, Stroh und Mist entfernt, die den Frost von dem Mauerwerk ferngehalten hatte, und betrachtete nun die brusthohe Wand.
    »Ich werde ein Gerüst brauchen!«, stellte sie für sich fest und sah sich im Hof um. Als sie im vergangenen Jahr den Schweinestall gebaut hatte, hatte sie einige Planken verwendet, aber die waren offensichtlich inzwischen im Kamin verheizt worden.
    »Mist!«, murrte sie und ging zum Brunnen, um sich einen Eimer Wasser hochzuhaspeln. Sie wusch sich gründlich die Arme und Hände, legte die Schürze ab, die sie über ihrem Kittel trug, und machte sich auf, bei Magda vorzusprechen.
    Sie bekam die Erlaubnis, zum Holzmarkt zu gehen, um das notwendige Material zu erstehen.
    »Aber geh nicht alleine, Almut. Bela bringt das Hungertuch zu Groß Sankt Martin, sie wird sich dir anschließen«, ordnete Magda an, als sie ihr die kleine Börse mit den Münzen übereignete.
    Doch Bela war schon mit Mettel unterwegs, und keine der anderen Beginen hatte Zeit, einen weiten Gang ohne besonderen Anlass zu machen. Also versuchte Almut, ungeduldig, wie sie nun mal war, ihr Glück bei Lena. Die aber schüttelte bedauernd den Kopf und verwies auf die kommenden Karnevalstage, für die sie im Voraus backen wollte.
    »Aber, Frau Almut, der Bertram kann Euch begleiten. Ihr würdet mir damit sogar einen großen Gefallen tun. Ich habe nämlich für meinen Bruder eine Heuke genäht, die ich ihm schon seit Tagen versprochen habe. Ich wollte nur Bertram nicht alleine gehen lassen. Ihr wisst ja...«
    »Ja. Nun gut, dann gebt mir den Mantel...«
    »Nein, nein, den trägt Bertram!«
    Die Pastetenbäckerin rief ihren Sohn herbei, reichte ihm den Leinensack mit dem umfänglichen Gewand und schärfte ihm etliche Verhaltensweisen ein. Mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern hörte der junge Mann zu und nickte zu allem.
    »Und dass du mir nicht die Gugel abnimmst, Bertram, hörst du?!«
    »Ja, Mutter.«
    »Und sei höflich zu Frau Almut!«
    »Natürlich, Mutter!«
    »Und halte dich aus jedem Gerangel heraus!« Almut seufzte ungeduldig auf.
    Schließlich konnten sie aufbrechen und nahmen die Johannisstraße mit ihren hohen Steingebäuden Richtung Dom. Obwohl hier, parallel zur Rheinmauer, die vornehmen Familien in ihren Häusern und Höfen lebten, versammelte sich schon bald eine Rotte zerlumpter Gassenjungen, die anscheinend nur darauf gewartet hatten, sich über Bertram herzumachen.
    »Seht, da kommt der Narr!«, brüllte einer. »Mit seiner eselohrigen Gugel, schaut. Gleich ruft er ›Iahh!‹«
    »Iahh, Iahh!«, grölten die anderen, und einer fing an, Grimassen zu schneiden.
    »Mach uns den Affen, Narr! Verzieh doch noch mal dein großes Maul.«
    Ein anderer stakste mit zuckenden Bewegungen auf Bertram zu und warf sich ihm dann vor die Füße, in einer schrecklichen Nachahmung seiner Krämpfe.
    »Tanz, Narr, tanz den Veitstanz!«, rief ein anderer und hampelte um Almut und ihn herum.
    »Brauchst’ne Bejinge, die dir’s Händchen hält, Eselsnarr?«
    Ein anderer produzierte schaumigen Speichel und spuckte ihn vor ihnen aus.
    »Er hat den Teufel zum Vater, der Karfreitagsbastard!«, höhnte ein weiterer.
    Almut merkte, dass Bertram bereit zur Flucht war, sie selbst jedoch, sowieso schon nicht besonders gut gelaunt an diesem Nachmittag, spürte einen roten Zorn in sich aufwallen. Der Rädelsführer der Gruppe war fast so groß wie sie selbst, aber erheblich schmächtiger. Er spornte die anderen zum Fratzenschneiden an und war so vertieft in seine Häme, dass er die hervorschnellende Hand zu spät erkannte. Sie packte ihn am Halsausschnitt seines Hemdes und drehte es zusammen. Der mürbe Stoff knirschte bedenklich.
    »Junge, das genügt. Was fällt euch eigentlich ein, über das Leid eines anderen zu spotten? Hat man euch keine Zucht beigebracht?«, herrschte Almut den langen Bengel an. Seine Kumpanen traten den vorsichtigen Rückzug an, als sie

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