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Die elfte Jungfrau

Titel: Die elfte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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setzt Euch auf den Schemel dort. Sind es wieder die Frostbeulen?«
    »Ach ja, an beiden Ballen!«, seufzte die rundliche Frau und ließ sich mit einem Ächzen nieder. Mühsam zog sie drei oder vier wollene Gewänder hoch und rollte die groben Strümpfe hinunter. Glänzende Beulen leuchteten rot an ihren Füßen.
    »Wir werden es heute mit den Zwiebeln der Schneeglöckchen versuchen. Aber ich habe Euch doch empfohlen, ein paar Tage im Warmen zu bleiben, Frau Elspeth!«
    »Ja, ja, ja. Und wer soll dann das Brot verdienen? Die Trudel hat eine Fehlgeburt gehabt, und ihr Mann liegt mit einem bösen Lungenfieber darnieder. Ihm geht es entsetzlich schlecht, hustet sich fast die Seele aus dem Leib! Habt Ihr etwas dagegen?«
    »Königskerze. Das ist das Beste bei Lungenerkrankungen.« Elsa schüttelte bedauernd den Kopf. »Sie waren häufig diesen Winter, diese starken Husten. Mein Vorrat ist leider aufgebraucht.«
    »Versucht es bei Meister Krudener, Frau Elspeth. Er wird Euch sicher weiterhelfen.«
    Die Hökerin fuhr auf und blitzte Almut an.
    »O nein, diesen Quacksalber suche ich nicht auf. Über diese verworfene Schwelle werde ich nicht eine Zehenspitze setzen.«
    »Verzeiht, Frau Elspeth, aber er ist ein ausgezeichneter Apotheker und versteht sich auf viele Kuren.«
    »Das sagt man wohl. Aber Ihr solltet Euch hüten, sie anzuwenden, Frau Begine. Er und sein blondes Liebchen...«
    »Frau Elspeth!« Scharf fuhr Elsa die sitzende Frau an. »Trine hat hier bei mir ihr Handwerk gelernt. Sie ist ein aufrechtes und fleißiges Mädchen, und ich verbiete Euch, auch nur ein abfälliges Wort über sie zu äußern.«
    »Wenn sie so rechtschaffen ist, dann solltet Ihr sie schleunigst von dort entfernen, Frau Apothekerin. Sie lernt bei dem Mann ganz sicher keine anständigen Dinge. Salben aus dem Fett Gehenkter zu rühren und schreiende Alraunwurzeln auszugraben, das lernt sie dort. Und das Beschwören finsterer Mächte. Ich warne Euch, der Mann ist ein gefährlicher Zauberer. Es geht sogar das Gerücht um, er verwende das Blut unschuldiger Jungfrauen in seinen üblen Gebräuen.«
    Almut empörte sich allmählich über das unsinnige Geschwätz der Hökerin. Schon seit Trine ihr von den derzeit umgehenden Mutmaßungen berichtet hatte, war sie aufmerksam geworden. Inzwischen hatten die Gerüchte offensichtlich noch an Schärfe zugenommen. Aber obwohl sie aufbegehren wollte, hielt sie sich im Zaum. Denn das Gerede um Jungfrauenblut weckte ihre Neugier. Und wirklich, es hatten die Klatschmäuler in den Gassen und auf den Märkten angefangen, Zusammenhänge zu entdecken, die zwischen einigen der jungen Mädchen bestanden, die in den vergangenen Monaten ums Leben gekommen waren. Sie alle mochten Opfer des anrüchigen Apothekers geworden sein, der angeblich in seinen unheimlichen Kellern die Knochen der Toten aufbewahrte. Elspeth erwärmte sich richtiggehend für das Thema, während Elsa die Zwiebeln von Schneeglöckchen in lauwarmem Bier zerdrückte.
    »Frau Elspeth, Ihr schwatzt den Lästerzungen nach«, gebot sie dem ergötzlichen Schaudern der Hökerin Einhalt, während diese genüsslich aufseufzte, als sie ihr den feuchten Umschlag um die Füße wickelte. »Meister Krudener ist ein vernünftiger Mann und versteht sein Handwerk. Ich kann nicht glauben, dass er durch die Stadt streift und Jungfrauen umbringt!«
    »Aber irgendwer tut es, Frau Elsa. Und Krudener betreibt die schwarzen Künste, das ist mal sicher. Würde er sonst so peinlich darauf achten, niemanden in sein Laboratorium zu lassen? Wisst Ihr, er geht ja noch nicht einmal sonntags in die Messe!«
    Almut fühlte sich jetzt doch bemüßigt, ihren weisen Freund zu verteidigen.
    »Er hat lange Zeit in fernen Ländern zugebracht, Frau Elspeth. Er verehrt Gott auf seine Weise.«
    »Er verehrt den Teufel, wenn Ihr mich fragt.«
    »Aber nein. Er kennt die Heiligen Schriften so gut wie jeder Priester.«
    »Ihr scheint ihn ja ganz besonders gut zu kennen, Frau Begine!«
    »Wir haben unsere Trine, die wir alle liebhaben, ohne Bedenken in seine Obhut gegeben. Ich besuche sie oft, um zu sehen, ob es ihr gut geht. Ich kann Euch versichern, sie führt dort ein tadelloses Leben. Meister Krudener ist ihr ein guter Lehrherr in allen Dingen, die die Heilkunst anbelangt. Aber ich verstehe schon - schlichte Gemüter mit bösen Zungen machen aus allem, was sie ungewöhnlich finden, ein übles Gerücht. Ihr, Frau Elspeth, kommt doch viel herum und habt eine gute Kenntnis der Welt und der Menschen.

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