Die elfte Jungfrau
Geschäft geht prächtig!«
»Das sieht man. Susi ist recht anstellig, scheint’s?«
»Ja, das ist sie. Ein flinkes Ding und helle im Köpfchen. Ihr habt gut daran getan, sie mir zu empfehlen. Auch wenn sie genauso verfressen ist wie ihr Bruder Pitter. Aber die Kleine muss ja noch wachsen.«
»Wie kommt es, dass Bertram Euch nicht hilft?«
»Ach, Frau Almut...«
Lenas fröhliches Gesicht überzog ein dunkler Schatten.
»Ist etwas passiert? Hatte er wieder einen Anfall?«
»Nein. Oder zumindest verrät er es nicht. Er ist verstockt und undankbar, der Junge. Sitzt hinten im Hof und schnitzt, dass die Splitter nur so fliegen. Gut, es ist eine schwere Zeit für ihn. All dies närrische Treiben, und er kann nicht teilnehmen. Geht Ihr zu ihm und versucht, ihn aus seiner Schmollecke herauszuholen?«
»Das werde ich tun.«
Almut fand Bertram auf einem Schemel an der sonnigen Hauswand sitzen, Holzstücke um sich verteilt, den Boden voll heller Späne. Er rieb mit einer Feile an einem kleinen Schnitzwerk. Er hörte sie und sah auf.
Erschrocken betrachtete Almut sein Gesicht unter der blauen Gugel, deren Ende er wieder wie einen maurischen Kopfputz zusammengedreht hatte. Ein beinahe ebenso blaues Auge und etliche rote Kratzer gaben seinem ansonsten gutmütigen Ausdruck etwas Brutales.
»Maria, himmlische Trösterin, was ist dir denn passiert?«
»Nichts!«
Trotzig blickte Bertram wieder auf die Figur in seinen Händen.
»Das Nichts hatte aber eine derbe Faust, was? Und wenn ich mir deine Knöchel so betrachte, scheint das Nichts auch von ziemlich fester Substanz gewesen zu sein.«
Ein leises Glucksen war zu hören, dann sah Bertram wieder hoch und konnte ein belustigtes Zwinkern nicht unterdrücken.
»Es war aber nichts Besonderes.«
»Nur eine prächtige Rauferei. Du traust dich nicht, deiner Mutter das zu beichten.«
Die Belustigung verflog im Nu.
»Ihr kennt sie doch. Und, Frau Almut, ich selbst kann es mir auch nicht verzeihen. Ich bin ein schlechter Christ. Es ist unwürdig, seinen Nächsten zu schlagen. Ich hätte eine Lektion in Demut nehmen sollen.« Er wischte sich mit der geschundenen Hand über die Stirn. »Ich habe Euch doch von meinem Wunsch erzählt, ins Kloster eintreten zu wollen.«
»Na und? Glaubst du, alle die frommen Brüder sind sündenlos gewesen, als sie sich für das klösterliche Leben entschieden?«
»Nein. Nein, wahrscheinlich nicht. Aber man muss doch darauf hinarbeiten.«
»Das muss jeder zu jeder Zeit, Bertram.«
Almut sah sich den jungen Mann zweifelnd an. Ihre nächtlichen Verdächtigungen kamen ihr jetzt, im lichten Sonnenschein, vollkommen albern vor. Dennoch fragte sie: »Wann bist du denn in die Rauferei geraten?«
»Freitagabend. Ich wollte zu meinem Oheim, mir ein neues Schnitzmesser und eine Feile ausborgen. Es waren dieselben Gassenbuben, die wir neulich getroffen haben. Sie... sie haben mich einen Gottesleugner genannt, von Witz und Sinnen. Ach, Ihr wisst schon.«
»Ein Wort gab das andere, dann wurden sie handgreiflich, und du hast dich gewehrt. Kam jemand von ihnen zu Schaden?«
»Es gab ein paar zerrissene Hemden, eine blutige Nase und einen Mund voll Straßenstaub.«
»Und für dich ein Veilchen, Schrammen und Kratzer. Ein gerechter Tausch, würde ich meinen. Bist du anschließend noch zu deinem Oheim gegangen?«
»Nein. Ich bin zum Rhein runter, bis es dunkel wurde, und hab’ den Schiffen nachgeschaut. Dann habe ich mich nach Hause geschlichen und gehofft, die Mutter würde die Blessuren nicht gleich bemerken. Aber am Morgen war das Auge dann ziemlich dick. Sie hat mir einen Tanz gemacht.«
»Und du hast dich stur gestellt und nicht erzählt, was passiert ist.«
Bertram nickte.
»Warum hilfst du ihr heute nicht?«
»Ich habe keine Lust, den Narren auf der Straße zu begegnen!«
Es klang verständlicherweise bitter, und Almut beließ es dabei. Die Geschichte mochte stimmen, obwohl sie nicht gerade ihren Verdacht zerstreute. Sie wollte später darüber nachdenken. Jetzt wechselte sie das Thema.
»Woran arbeitest du da gerade, Bertram?«
»Oh, es ist diese Katze, die bei Euch lebt. Sie kommt auch manchmal hier in den Hof.«
Er reichte ihr eine Figur, die gerade eine knappe Handspanne groß war. Er war eine liebevoll gearbeitete Katzengestalt, die sich vorne ganz lang reckte und deren Hinterteil dreist in die Luft ragte. Der Schwanz bildete einen mustergültig nach oben gerundeten Schnörkel.
»Die ist ja hinreißend, Bertram. Genau so sieht sie
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