Die elfte Jungfrau
geschehen ist, weiß ich nicht, aber dorthin gebracht hat der Mörder sie sicher nicht am helllichten Tag, sondern in der Dunkelheit. Ich werde also herausfinden müssen, wo Bertram sich am Nachmittag und am Abend aufgehalten hat. Hoffentlich hat er bei Lena in der Stube gesessen.«
Zufrieden mit ihrem Entschluss, kniete Almut sich nieder und sprach ihr Gebet zu Ende.
»Tor der Lichtes, Maria, erhelle unser Leben, denn auch die von Finsternis Umgebenen leuchten durch deinen Glanz, und durch deinen Schimmer sehen die Blinden. Leuchte uns allen, Maria, aber lass ihn am Firmament das Funkeln der Sterne sehen. Amen.«
23. Kapitel
D er Montag vor der Fastenzeit war ein geräuschvoller Tag. Kölns Bewohner genossen noch einmal alle Lustbarkeiten, die in den folgenden vierzig Tagen untersagt waren. Handwerksburschen zogen in Gruppen durch die Gassen und lieferten sich mit denen anderer Zünfte lärmende Schaukämpfe. Gerbergesellen hatten sich mit rauen Fellen behängt und stanken zum Himmel, andere hatten sich aus Binsen seltsame Kopfbedeckungen geflochten und mit Bändern und Glöckchen verziert. Man sah junge Männer, die sich Frauenkleider angezogen hatten und übertrieben neckisch mit den Hüften wackelten, und solche, die sich Fratzenmasken aufgesetzt hatten und mit Ratschen und Klappern einen infernalischen Lärm verbreiteten. Zwar war auch in diesem Jahr wegen des Schöffenstreites das große Turnier auf dem Alten Markt ausgefallen, aber an einigen freien Plätzen wurden fröhliche Wettkämpfe im Eggenziehen und Strohballenwerfen ausgefochten, fanden Schürreskarrenrennen und allerlei Ulk statt. An allen Ecken standen Musikanten mit Drehleiern, Fiedeln, Sackpfeifen und Trommeln, zu deren aufpeitschenden Weisen die Mädchen und Burschen ausgelassen tanzten. Einige Klöster hatten ihre Pforten geöffnet und schenkten trotz erzbischöflichen Verbotes Wein und Bier aus. In den Häusern der Patrizier und reichen Kaufleute wurde gefeiert, und die Vermummten auf ihren Heischegängen kamen mit vollen Körben nach Hause.
Auch Magda hatte den Beginen einen arbeitsfreien Tag erlaubt, und sie verbrachten ihn gemeinsam im Refektorium, wo sie sich mit Brett- und Würfelspielen belustigten, den heiteren Liedern lauschten, die Ursula zu singen wusste, und mit noch größerer Begeisterung den etwas zotigeren, die Mettel kannte. Gertrud brachte goldgelb in Schmalz ausgebackene Krapfen auf den Tisch und ein Mus aus Trockenobst, Wein und Honig. Der Claret, den Elsa vorbereitet hatte, floss reichlich, und Clara las eine Geschichte aus einem Büchlein vor, das sie erst kürzlich bei einem Florentiner Buchhändler erstanden hatte. Die Übersetzung, erklärte sie, sei etwas mühsam gewesen, denn das Latein, in dem es geschrieben war, erschien ihr recht nachlässig. Dennoch war es ihr gelungen, den Sinn der erstaunlichen Begebenheit zu erfassen.
Mit aufsteigendem Entzücken lauschten also die Beginen der Schilderung, wie die gewitzte Frau eines Wollwebers einen recht einfältigen Mönch durch falsche Beichten dazu bringt, dass sich ein gut aussehender Edelmann ihr nähert, sich in sie verliebt und schließlich, als ihr Mann auf Reisen geht, zu ihr in die Schlafkammer kommt.
Magda runzelte zunächst etwas bedenklich die Stirn, wurde dann aber doch von der mutwilligen Erzählkunst so eingenommen, dass sie leise schmunzelte.
Almut hatte eine Weile an dem fröhlichen Treiben teilgenommen, dann aber, um die Mittagszeit, hatte sie die Meisterin gebeten, zu Krudener gehen zu dürfen, um Trine in den Beginenhof zurückzuholen.
»Und vorher möchte ich noch bei Frau Lena vorbeischauen, um zu sehen, ob es Bertram gut geht. Vielleicht kann er mich begleiten.«
»Sie wird viel zu tun haben und ihn beim Verkauf brauchen. Auf gar keinen Fall darfst du heute alleine durch die Gassen gehen, Almut. Ich werde Bela bitten, dich zu begleiten. Sie ist die Kräftigste von uns allen.«
Da Magdas Bitten durchaus als Anordnung verstanden wurden, erklärte sich Bela bereit, wollte aber noch das Damespiel mit Ursula beenden.
Almut warf ihren Umhang über und ging in der Zwischenzeit über die Straße zu Lenas Haus, wo Susi eifrig Pasten an eine Gruppe Webergesellen verkaufte.
»Frau Lena ist hinten, Frau Almut, geht nur durch«, rief sie und zählte geschwind das Wechselgeld ab.
Die Pastetenbäckerin hatte mehlbestäubte Arme, ihre Haube saß schief, und auf ihrer Nase glänzten Schweißperlen. Aber sie grüßte ihre Besucherin fröhlich.
»Das
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