Die Elite
ein!«, fügte Mary hinzu.
»Maxon muss sich einfach für Sie entscheiden«, rief Lucy. »Sie sind die Einzige, die mir Hoffnung gibt.«
Hoffnung? Nun war doch alles vorbei, oder?
Ich musste nachdenken, und der Ort, an dem ich das am besten konnte, war der Garten. Ich verließ mein Zimmer und nahm den Weg über die Hintertreppe am Ende des Flurs. Abgesehen von einer einzelnen Wache war die erste Etage still und menschenleer. Nach allem, was in der letzten halben Stunde passiert war, hatte ich eigentlich gedacht, dass im Palast emsiges Treiben herrschen würde.
Als ich am Krankenflügel vorbeikam, flog plötzlich die Tür auf, und ich stieß mit Maxon zusammen, der vor Schreck eine verschlossene Metallkiste fallen ließ. Obwohl unser Zusammenprall nicht besonders heftig gewesen war, entfuhr ihm ein Stöhnen.
»Warum bist du nicht in deinem Zimmer?«, fragte er und bückte sich langsam, um die Kiste aufzuheben. Ich bemerkte, dass sein Name darauf stand, und fragte mich, was er wohl im Krankenflügel aufbewahrte.
»Ich wollte in den Garten, darüber nachdenken, ob das, was ich getan habe, dumm war oder nicht.«
Maxon schien nur mit Mühe stehen zu können. »Oh, es war dumm, das kann ich dir versichern.«
»Brauchst du Hilfe?«
»Nein«, antwortete er schnell und wich meinem Blick aus. »Ich will nur in mein Zimmer. Und ich schlage vor, dass du das Gleiche tust.«
»Maxon.« Das stille Flehen in meiner Stimme brachte ihn dazu, mich anzusehen. »Es tut mir wirklich leid. Ich war wütend und ich wollte … Ach, ich weiß es eigentlich gar nicht mehr so genau. Aber warst du nicht derjenige, der gesagt hat, es hätte auch Vorteile eine Eins zu sein, weil man Dinge verändern könnte?«
Maxon verdrehte die Augen. »Du bist aber keine Eins, America.« Wir schwiegen eine Weile. »Und selbst wenn du eine Eins wärst – ist dir denn überhaupt nicht aufgefallen, wie ich die Dinge angehe? Still und leise im Hintergrund. Im Moment geht es eben noch nicht anders. Du kannst dich nicht im Fernsehen öffentlich darüber beschweren, wie das Land regiert wird, und dann erwarten, dass du von meinem Vater oder von irgendjemand sonst Unterstützung erfährst.«
»Es tut mir leid!«, rief ich. »Es tut mir wirklich leid.«
Wieder schwieg er einen Augenblick. »Ich bin mir nicht sicher, ob …«
Im selben Moment ertönten die Warnrufe. Sofort drehte Maxon sich um und lief los. Ich folgte ihm und versuchte aus dem Lärm schlau zu werden. Kämpfte da jemand? Als wir uns der Empfangshalle und den Türen zum Garten näherten, strömten immer mehr Wachen dorthin.
»Löst den Alarm aus!«, rief jemand. »Sie sind in den Palast eingedrungen!«
»Macht euch feuerbereit!«, brüllte eine andere Wache.
»Bringt den König in Sicherheit!«
Und dann sirrten auch schon kleine schnelle Geschosse durch die Halle. Ein Wachmann wurde getroffen und fiel rücklings zu Boden, sein Kopf schlug mit einem grässlichen Knacken auf den Marmor. Blut quoll aus seiner Brust, und ich schrie wie am Spieß.
Unwillkürlich zog Maxon mich weg, bewegte sich aber wie in Zeitlupe fort. Vielleicht stand er ebenfalls unter Schock.
»Majestät!«, rief ein anderer Wachmann und rannte auf uns zu. »Sie müssen sofort nach unten gehen!«
Er drehte Maxon grob herum und schob ihn energisch vorwärts. Maxon schrie auf und ließ die Metallkiste fallen. Entsetzt starrte ich auf die Hände des Wachmanns, denn ich ging davon aus, dass er Maxon ein Messer in den Rücken gestoßen hatte. Doch ich bemerkte nichts weiter als einen breiten Zinnring an seinem Daumen. Ich hob die Kiste am seitlichen Griff hoch und hoffte, dass ich den Inhalt dadurch nicht durcheinanderbringen würde. Dann folgte ich den beiden.
»Ich schaffe es nicht«, sagte Maxon plötzlich. Er schwitzte heftig. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht mit ihm.
»Doch, Majestät«, entgegnete die Wache grimmig. »Hier entlang.«
Damit zog er Maxon um eine Ecke in einen abgelegenen Seitengang. Ich fragte mich schon, ob er uns hier zurücklassen würde, als er irgendeinen verborgenen Mechanismus an der Wand betätigte und sich eine Geheimtür vor unseren Augen öffnete. Dahinter war es stockdunkel, deshalb sah ich nicht, wo sie hinführte. Maxon jedoch stolperte ohne zu zögern vorwärts, und so folgte ich ihm.
»Teilen Sie meiner Mutter unverzüglich mit, dass America und ich in Sicherheit sind«, befahl er.
»Natürlich, Majestät. Wenn der Angriff vorüber ist, werde ich Sie persönlich holen
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