Die Elite
muss.«
Bei der Vorstellung, immer wieder ohne Vorwarnung geschlagen zu werden, wurde mir richtiggehend übel.
»Wofür hast du die anderen bekommen?«, fragte ich, schüttelte jedoch sogleich den Kopf. »Vergiss es. Das war indiskret.«
Er hob seine unverletzte Schulter. »Wegen irgendwelcher Sachen, die ich gesagt oder getan habe. Und wegen gewisser Sachen, die ich weiß.«
»Und wegen gewisser Sachen, die
ich
weiß«, fügte ich hinzu. »Maxon, es tut mir so leid …«, brachte ich mit tränenerstickter Stimme hervor.
Er drehte sich nicht um, aber seine Hand suchte und fand mein Knie. »Wie willst du meinen Rücken versorgen, wenn du weinst?«
Ich lächelte und wischte mir übers Gesicht. Dann fuhr ich fort, so sanft wie möglich seine Wunden zu reinigen.
»Meinst du, hier gibt es Verbandszeug?«, fragte ich und blickte mich suchend um.
»In der Kiste«, antwortete er.
»Warum hast du so etwas nicht in deinem Zimmer?«
»Aus reinem Stolz. Ich hatte beschlossen, dass ich die Kiste nie wieder brauchen würde.«
Ich seufzte leise, ging die Etiketten durch und fand ein Desinfektionsmittel, eine Salbe zur Schmerzlinderung und Verbandsmull.
Ich stellte mich hinter ihn und bereitete mich seelisch darauf vor, das Desinfektionsmittel aufzutragen. »Das tut jetzt wahrscheinlich noch einmal ziemlich weh.«
Maxon nickte nur. Als ich seine Haut berührte, stöhnte er einmal kurz auf, dann verfiel er wieder in Schweigen. Ich arbeitete schnell und gründlich, um es ihm so erträglich wie möglich zu machen. Schließlich trug ich die Wundsalbe auf. Offensichtlich schien sie schnell zu wirken, denn die Anspannung in seinen Schultern ließ schon bald darauf nach.
Maxon schnaubte und stieß ein verächtliches Lachen aus. »Mir war klar, dass mein Geheimnis irgendwann auffliegen würde. Seit Jahren versuche ich mir eine gute Erklärung auszudenken. Ich hoffe, dass mir vor der Hochzeit noch etwas Glaubwürdiges einfallen wird, denn meine Frau wird die Narben natürlich irgendwann zu sehen bekommen. Doch mir fällt einfach nichts ein. Hast du eine Idee?«
Ich überlegte einen Moment. »Versuch es mit der Wahrheit, Maxon.«
»Das ist nicht meine bevorzugte Lösung. Jedenfalls nicht dafür.«
»So, ich glaube, ich bin fertig.«
Vorsichtig drehte und wand er sich. Dann blickte er mich dankbar an. »Das ist großartig, America. Viel besser, als ich es selbst je hingekriegt hätte.«
»Immer gern.«
Maxon schaute mich durchdringend an, und ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Meine Augen wanderten immer wieder zu seiner Brust. Das musste schleunigst aufhören. Irgendwie musste ich mich ablenken.
»Ich wasche schnell dein Hemd aus«, bot ich an und verzog mich an das Waschbecken. Ich sah zu, wie sich das Wasser in dem kleinen Becken rotbraun färbte, bevor es im Abfluss verschwand. Natürlich würde ich hier nicht das ganze Blut herauswaschen können, doch wenigstens hatte ich etwas zu tun.
Als ich fertig war und das Hemd zum Trocknen an einen Haken gehängt hatte, stellte ich fest, dass Maxon mich noch immer anstarrte.
»Warum fragst du mich nie die Fragen, auf die ich tatsächlich eine Antwort geben möchte?«
Da ich nicht neben ihm auf der Bank sitzen konnte, ohne in Versuchung zu geraten, ihn zu berühren, setzte ich mich ihm gegenüber auf den Boden.
»Weil ich nicht wusste, dass das so ist.«
»Ist es aber.«
»Also, was sind das für Fragen, die ich dir stellen soll?«
Es stieß seufzend die Luft aus, lehnte sich vorsichtig nach vorn und stützte die Ellenbogen auf den Knien ab.
»Willst du denn nicht, dass ich dir das mit Kriss und Celeste erkläre? Findest du nicht, dass du eine Erklärung verdient hast?«
29
I ch verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich kenne Kriss’ Version von dem, was passiert ist, und sie hat wohl kaum übertrieben. Und was Celeste betrifft, so ziehe ich es vor, nie wieder ein Wort über sie zu verlieren.«
Maxon lachte. »So was von stur. Das wird mir fehlen, America.«
»Dann ist es also endgültig vorbei? Ich bin draußen?«
Maxon überlegte. »Ich glaube nicht, dass ich das jetzt noch verhindern kann. Aber war es denn nicht das, was du wolltest?«
Ich schüttelte sacht den Kopf. »Nein, Maxon, ich war wütend«, flüsterte ich. »Ich war einfach nur unglaublich wütend.«
Ich blickte zur Seite, weil ich nicht schon wieder weinen wollte. Doch offenbar hatte Maxon beschlossen, dass ich mir anhören musste, was er mir zu sagen hatte. Ob ich nun wollte oder
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