Die Eltern-Trickkiste
ihnen oder liebkoste sie, was bei allen zum Tode führte.
Mit dem Alter wird der intensive Körperkontakt weniger. Das Kind wird eigenständiger und grenzt sich von den Eltern ab – auch physisch. Dieser Prozess verläuft langsam, und es lohnt sich, immer wieder zu testen, wie viel körperliche Nähe das Kind noch zulässt: Sie können die Arme öffnen, um es zu umarmen. Sie können es auf den Schoß einladen, auf dem Sofa Schulter an Schulter lehnen, liebevoll eine Strähne aus seinem Gesicht streichen… Es ist ein Angebot, das zeigt: »Ich bin für dich da, und ich liebe dich.«
Speziell bei Angst, Traurigkeit und Schmerzen wirkt Körperkontakt oft besser als jede Arznei. Statt lange über das Warum zu philosophieren, nehmen Sie den unglücklichen Schatz einfach in die Arme. Dort fühlt er sich geborgen, gehalten, beschützt. Dieser Trost ist spürbar und deshalb so effektiv. Aus diesem Grund wird »Heile, heile Gänschen« nicht nur gesungen, sondern von Streicheln begleitet.
GANZ PRÄSENT SEIN
Wenn schon, denn schon
MULTITASKING IST ETWAS PRAKTISCHES. Die Kehrseite der Medaille ist, dass man sich keiner der parallel verlaufenden Handlungen hundertprozentig widmet. Im Umgang mit Menschen kann das negativ wirken. Jemand ist da – und doch wieder nicht? »Du hörst mir gar nicht richtig zu!«, beschwert sich der Junior, wenn er selbstbewusst ist und Papa etwas erzählt, während der am PC sitzt. Dies Meckern kommt zu Recht. Fürs seelengesunde Aufwachsen ist es wichtig, die ungeteilte Aufmerksamkeit des Gesprächspartners zu bekommen. Das vermittelt: Ich bin wertvoll.
Logisch: Ungeteilte Aufmerksamkeit zu jeder Zeit ist Utopie, zumal man sich beim Kartoffelschälen oder Spülen herrlich unterhalten kann. Aber sobald im Gespräch die Gedanken abschweifen und nicht mehr bei der Sache/beim Kind sind, wird es heikel. Die Tochter quatschen lassen und dabei über das Geschenk für die Tante nachdenken? Lieber nicht. Dann wäre es für beide Seiten besser, ehrlich zu sagen: »Ich kann dir jetzt nicht richtig zuhören, ich muss überlegen, was wir nachher für Tante X besorgen. Warte zehn Minuten, dann höre ich gern, was du erlebt hast.« Widmen Sie sich Ihrem Kind besser 5 Minuten konzentriert, als ihm 20 Minuten nur ein Ohr zu leihen.
VERSUNKEN IM SPIEL
Wer sich einmischt, zerstört
EIN AHA-ERLEBNIS WAR FÜR mich, als die Leiterin eines Kindergartens vor Jahren zu mir sagte: »Wenn die Kinder als Dreijährige zu mir kommen, geht es noch. Aber wenn sie älter sind, haben sie die Fähigkeit alleine zu spielen meist schon verloren. Und zwar durch die Eltern.« Denn diese, so ihre Diagnose, ließen ihr Kind oft nicht in Ruhe vor sich hin spielen, sondern mischten sich ein. Mal gedankenlos, mal in bester Absicht. In jedem Fall zerstörten sie das Spiel und daher nach zig Wiederholungen die Fähigkeit des Sprösslings, sich längere Zeit allein beschäftigen zu können. Vielleicht haben Sie es auch schon beobachtet: Ein Kleinkind spielt konzentriert mit Wäscheklammern, und plötzlich schallt die Erwachsenenfrage durch den Raum: »Na, was machst du da Schönes?« Oder: »Was soll das denn sein?« Das Kind, völlig versunken im Spiel, wird dadurch abrupt aus seiner Fantasiewelt gerissen. Es ist eine Art Aufwecken. Der Erwachsene nickt womöglich beifällig und geht seiner Wege – ein Kind zurücklassend, dessen Spielfaden er zerrissen hat. Manchmal unterbricht er mit Lob: »Das hast du toll gebaut!« Im schlimmsten Fall mischt er sich ein, indem er zeigt, wie Bausteine »besser« angeordnet werden. Jedes Mal zerstört er ungefragt den Kokon, den das Kind um sich gesponnen hat.
Mögliche Folge: Das Kind, das eben noch selbstvergessen spielte, beginnt zu quengeln, weil es die Trümmer seinerSpielwelt nicht mehr zusammensetzen kann. Es findet den Faden nicht wieder und ist entsprechend frustriert. Der Erwachsene soll nun helfen, das Wohlbefinden wiederherzustellen. Doch der ist sich seiner Störenfried-Rolle gar nicht bewusst und sucht wahrscheinlich das Weite mit einem »Lass mich mal, spiel du nur schön weiter«.
Gönnen Sie dem Kind seine ungestörte Spielwelt. Beobachten Sie es schmunzelnd aus der Ferne und machen Sie nur mit, wenn danach verlangt wird. Freuen Sie sich, wenn Ihr Kind sich alleine beschäftigen kann. Denn ist diese Fähigkeit durch Einmischung abtrainiert, schadet das Ihrem Kind – und Ihrer eigenen Muße.
UNIVERSALREZEPT 9
GEMÜTLICHE LESEZEIT
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