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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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Stein, all seine und all ihrer beider Hoffnungen durchtrennt. Dabei respektiert er sie: er weiß, daß nur sehr wenig von dem allen weibliches Theater ist. Sie hat, und mehr als einmal, in den Äußeren Glanz geblickt und dort ganz einfach nichts gesehen. Und jedesmal hat sie ein wenig mehr von diesem Nichts in sich hineingenommen. Es läuft letztlich auf Mut hinaus, mit einem Anteil Selbstbetrug, im schlimmsten Fall, der immer noch verschwindend klein ist: er muß es bewundern, selbst wenn er ihr gläsernes Sichverschwenden, ihre Berufung auf einen Tag nicht des Zorns, sondern der endgültigen Indifferenz, nicht akzeptieren kann ... so wenig jedenfalls, wie sie die
    Wahrheit akzeptiert, die er über sich selbst weiß. Er empfängt Emanationen, Reizungen ... Schreie im Inneren des Steins... exkrementale Küsse, die unsichtbar über den Sattel eines alten Hemdes gestichelt sind ... ein Treuebruch, ein Denunziant, dessen Schuld sich eines Tages zu Kehlkopfkrebs verdichten, wie Tageslicht durch die Kehlen und Muster eines zerfledderten italienischen Handschuhs klingen wird ... Knaller St. Blaises Engel, der sich, Meilen jenseits der Fadenkreuze, an jenem Palmsonntag über Lübeck erhob, giftiggrüne Kuppeln zu seinen Füßen, während die Bomber über die Flügel hinuntergingen, rote Ziegel in flimmerndem Kreuzraster über tausend steile Dächer brandeten und die Ostsee schon unsichtbar hinter einem Leichentuch aus Rauch lag: Eiskristalle stoben zischend hinter seinen tödlich dunklen Schwingen, die sich ausbreiteten, um in einen neuen, weißen Abgrund zu schlagen ... Für eine halbe Minute brach die Funkstille ab. Folgendes Gespräch:
    St. Blaise: Freakshow Two - hast du das gesehen ? Over. Flügelmann: Hier Freakshow Two - bestätigt, over. St. Blaise: Gut.
    Offenbar hatte, außer ihnen, niemand sonst im Geschwader Funkkontakt gehabt. Nach dem Einsatz überprüfte St. Blaise die Geräte in den Maschinen, die zur Basis zurückgekommen waren, aber er entdeckte nichts Auffälliges. Die Kristalle waren alle auf ihrer Frequenz, die Stromkreise in Ordnung, wie zu erwarten - doch andere erinnerten sich, daß für einen kurzen Augenblick, gerade so lange, wie die Erscheinung dauerte, selbst die atmosphärischen Störungen in den Kopfhörern verstummt waren. Einige mochten vielleicht ein hohes Singen gehört haben, wie das Geräusch des Windes in Masten, Wanten, Sprungfedern oder den Tellerantennen winterlicher Flotten im Trockendock ... aber nur Knaller und sein Flügelmann hatten es auch gesehen, Meilen von flammendem Gesicht, ragende Augen, die ihrem dröhnenden Vorbeiflug folgten, glutrote Augäpfel, die über Gelb zu Weiß erbleichten, als sie, ohne ein Ziel aufzufassen, ihre Bomben auslösten, der ewige Ärger des Norden-Geräts, Schweißtropfen um das schlingernde Okular, voller Erstaunen über ihr unerwartetes Bedürfnis, hochzuziehen und vom Schlag gegen die Erde abzulassen für einen Angriff auf den Himmel...
    Group Captain St. Blaise zog es vor, in seinem offiziellen Rapport nichts von dem Engel zu erwähnen, war doch die Offizierin vom weiblichen Hilfskorps, die ihn befragte, im ganzen Fliegerhorst als wortklaubender Drache von der pedantischsten Sorte verschrien (sie hatte keinen Augenblick gezögert, Blowitt für seine regenbogenfarbene Walküre über Peenemünde in die Psychiatrie zu schicken, desgleichen Creepham für die hellblauen Männchen, die ihm wie Spinnen über die Flächen seiner Typhoon gekrabbelt und dann an kleinen Fallschirmen von gleicher Farbe auf Den Haag niedergeschwebt waren). Aber, verdammt noch mal, das war keine Wolke gewesen! In den vierzehn Tagen, die zwischen dem Brandbombenangriff auf Lübeck und Hitlers Befehl zu sogenannten "Terror-Angriffen von vergeltendem Charakter" - gemeint waren die V-Waffen - vergingen, machte das Gerücht vom Engel unter der Hand die Runde. Trotz Group Captain St. Blaises Widerstreben durfte Ronald Cherrycoke einige Gegenstände untersuchen, die ihn auf jenem Flug begleitet hatten. Auf diese Weise wurde der Engel entdeckt. Als nächstes versuchte Carroll Eventyr, an Terence Overbaby heranzukommen, St. Blaises Flügelmann. Ein Himmel voller Messerschmitts hatte ihn in die Zange genommen und nicht mehr losgelassen. Was einging, war verwirrend. Peter Sachsa deutete an, daß es viele Versionen des Engels gab, die hier in Frage kamen. Diejenige Overbabys war offenbar weniger leicht zugänglich als manche andere. Es gibt Schwierigkeiten mit den verschiedenen Ebenen

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