Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
Vom Netzwerk:
und mit der Auslegung, wie beim Tarot ... Dies alles trägt dazu bei, daß die Barometer jetzt auf Sturm stehen, auf beiden Seiten des Todes. Ein höchst unerfreulicher Zustand. Carroll Eventyr fühlt sich, auf seiner Seite, zum unschuldigen Opfer gemacht und läßt sich das sogar anmerken. Peter Sachsa, auf der anderen, fällt ganz erstaunlich aus der Rolle und landet in nostalgischen Gefühlen für das Leben, den alten Frieden und die Dekadenz von Weimar, der er mehr zu verdanken gehabt hatte als nur die Butter aufs Brot. Er, den damals, 1930, ein Polizeiknüppel bei einer Straßenschlacht in Neukölln gewaltsam herüberbefördert hat, schwelgt jetzt in sentimentalen Erinnerungen an Abende aus dunklem, gebeiztem Holz, Zigarrenrauch, in Jade ziselierten Damen, Panne-Samt und Rosenöl, an die neuesten schiefwinkligen Pastelle an den Wänden und die neuesten Drogen in den vielen kleinen Schubladen. Es war mehr als nur einer jener "Kreise" - die meisten Nächte brachten ganze Mandalas zur Blüte: aus allen Gesellschaftsschichten, allen Vierteln der Hauptstadt spreizten sich Hände auf das berühmte, blutrote Furnier, nur an den ausgestreckten Spitzen der kleinen Finger einander berührend. Sachsas Tisch glich einem unergründlichen, dunklen Waldsee. Unter seiner Oberfläche gerieten Dinge in Bewegung, ins Rutschen, begannen, sich zu erheben ... Walter Asch ("Taurus") wurde eines Nachts von etwas so Ungewöhnlichem besucht, daß man drei "Hieropons" (250 mg) benötigte, ihn wieder zurückzuholen, und selbst dann schien er sich noch gegen das Einschlafen wehren zu müssen. Alle standen sie in krummen Reihen, die an Sportfeste erinnerten, um ihn herum, um zu beobachten: Wimpe, der I. G.-Mann, der auch das Hieropon hielt, drängelte sich zwischen Sargner, einen Zivilisten, der dem Generalstab zugeteilt war, und den soeben aus Südwestafrika zurückgekehrten Leutnant Weißmann, dessen Adjutant, ein Herero, den er sich mitgebracht hatte, staunend und stumm auf die fremde Szenerie starrte ... während hinter ihnen Damen wie Sibyllen einherglitten, Pailletten und hochreflektierende Strümpfe aufblitzten, schwarzweißes Makeup sich zu zarten, nasalen Aufschreien öffnete, Augen sich rundeten oh ... Jedes dieser Gesichter, die Walter Asch beobachteten, war eine Puppenbühne, jedes hatte sein eigenes Repertoire.
    ... die Hände sehr gut ja Kopfhaltung Handgelenke soweit die Muskelrelaxation flache Atmung...
    ... genau ... genauso ... mein kreideweißes Gesicht im Spiegel drei halbvier vier Prozession der Stunden Uhr Ticken Zimmer nein kann nicht hinein nein nicht genug Licht nicht genug nein aaahhh ... Theater nichts dagegen aber Walter wirklich sieh den Kopf an komischer Winkel will besser ins Licht schattenlos Licht schieb eine Gelbfolie ...
    (Ein pneumatischer Spielzeugfrosch hüpft auf ein Seerosenblatt, das zittert: unter der Oberfläche lauert ein Grauen... eine gewesene Knechtschaft... doch er schwebt nun über dem Kopf dessen, was ihn zurückholen will... in seinen Augen kann man nicht lesen... )
    ... mba rara m'eroto ondyoze ... mbe mu munine m'oruroto ayo u n'omuinyo ... (dahinter, viel ferner als dies, Erinnerung an Tauwerk und Schnüre, ein riesiges Netz, Zerrungen in Muskeln und Haut, den Zugriff von etwas, das mit dir ringt, wenn die Nacht am tiefsten ist... auch das Gefühl eines Besuchs von den Toten, danach die flaue Empfindung, daß sie weniger freundlich sind, als sie einst schienen... er hat gewacht, geweint,
    um Erklärungen gefleht, doch keiner hat ihm jemals etwas gesagt, das er glauben konnte. Die Toten haben zu ihm gesprochen, sich zu ihm gesetzt, haben von seiner Milch getrunken und Geschichten von Ahnen oder von Geistern aus anderen Teilen des Velds erzählt - denn Zeit und Raum haben auf ihrer Seite keine Bedeutung, alles ist eins).
    "Es gibt Soziologien", Edwin Treacle, die Haare verwuschelt, zündelt an einer Pfeife herum, die mit elenden Resten gestopft ist, Herbstblättern, Fäden und Kippen, "deren
    Erforschung noch nicht einmal begonnen hat. Die Soziologie unserer eigenen Kaste zum Beispiel. Diese Psi-Sektion hier, die Society for Psychical Research, die alten Damen in Altrincham, die den Teufel herbeschwören wollen, wir alle im Diesseits sind schließlich nur die eine Seite der Medaille."
    "Vorsicht mit diesem !" Roger Mexico wird heute von hundert Dingen abgelenkt, Chi-Quadrat-Ansätzen, die nicht aufgehen wollen, Handbüchern, die er verlegt hat, Jessica, die ihm fehlt...
    "Es macht alles

Weitere Kostenlose Bücher