Die Enden der Parabel
draußen von Tantivy keine Spur.
Die Geister von Fischern, Glasbläsern, Pelzhändlern, von abtrünnigen Predigern, Patriarchen vom Berge und Politikern im Tale stürzen hinter Slothrop durch die Zeit wie eine Lawine, zurück bis ins Jahr 1630, als Gouverneur Winthrop auf der Arbella nach Amerika kam, dem Flaggschiff der puritanischen Flottille jenes Jahres, auf dem der erste amerikanische Slothrop als Backsgast oder etwas Ähnliches gefahren war -da segeln sie, diese Arbella samt Flottille, sie segeln rückwärts im Verband, vom Wind nach Ost zurückgesaugt, während die Wesen, die sich über die Ränder des Unbekannten beugen, ihre Backen auf Kosten von Zähnen, die längst nicht mehr die weißen Milchzähne von Cherubs sind, nach innen saugen, die Augen vor Anstrengung einwärts verdreht, den Wind in sich hineinsaugen und die alten Schiffe aus dem Hafen von Boston heraus und zurück über einen Atlantik schnellen lassen, dessen Strömungen und Wogen jetzt in der Gegenrichtung fließen und rollen ... die Erlösung jedes Backsgasts, der jemals ausgeglitten und gestürzt ist, wenn das Deck eine unerwartete Bewegung machte, da sich das Stew fürs Abendessen nun eigenhändig von den Planken und den indignierten Schuhen der Erwählteren aufsammelt und in hohem Bogen in den Kupferkessel zurückklatscht, der Diener wieder in die Aufrechte zurückstolpert und die Kotze, die ihn zu Fall gebracht hat, wieder in den Mund zurückschwappt, der sie vergossen ... Presto, Szenenwechsel: Tyrone Slothrop ist wieder Engländer! Aber Erlösung scheint es gerade nicht zu sein, was SIE mit ihm im Schilde führen ...
Er befindet sich auf einer breiten, kopfsteingepflasterten Promenade, die von Palmen gesäumt ist, welche sich zu grobkörnigem Schwarz verdichten, als sich die Wolken jetzt vor die Sonne schieben. Auch am Strand ist Tantivy nicht zu sehen - sowenig wie die Mädchen. Slothrop sitzt mit baumelnden Füßen auf einer niedrigen Mauer und beobachtet die Gewitterfront, die sich schiefergrau und schmutzig purpurn in Schichten und Verwerfungen von See heranwälzt. Die Luft um ihn wird kühler. Er fröstelt. Was machen SIE mit ihm?
Er kommt zurück zum Casino, als schon die ersten runden Regentropfen, zäh wie Honig, auf dem Pflaster zu riesigen Sternen zerplatzen. Sie laden ihn ein, nach unten zu schauen, wo die Anmerkungen am Fuß der Seite dieses Tages alles erklären werden. Aber er schaut nicht. Niemand hat je behauptet, ein Tag müsse an seinem Ende in irgendeine Art von Sinn jongliert werden. Er rennt einfach los. Der Regen schwillt an zu einem nassen Crescendo. Seine Schritte lassen zarte Wasserblumen aufspritzen, die noch eine Sekunde hinter seiner Flucht in der Luft stehen. Denn eine Flucht ist es. Gesprenkelt und scheckig vom Regen betritt er das träge Casino und startet sofort eine wütende Suche. Er beginnt wieder in derselben rauchigen, fuselstinkenden Bar, zieht weiter in das kleine Theater, wo heute abend eine Kurzfassung von L'inutile precauzione gegeben werden soll (jener imaginären Oper, mit der Rosina ihren Vormund im Barbier von Sevilla in die Irre führen will), und landet schließlich in der Künstlergarderobe, wo sich Mädchen, ein Seidenschwall von Mädchen, aber nicht jene drei, die er am dringendsten zu finden hofft, die Frisuren zurechtzupfen, Strumpfbänder richten, falsche Wimpern kleben, Slothrop anlächeln. Keine hat Ghislaine, Francoise, Yvonne gesehen. Aus dem Nebenraum hört man das Orchester eine muntere Tarantella von Rossini proben. Die Holzbläser liegen alle etwa einen halben Ton zu tief. Plötzlich wird Slothrop bewußt, daß er sich unter
Frauen befindet, die einen großen Teil ihres Lebens im Krieg und unter der Besatzung zugebracht haben, für die es nichts Ungewöhnliches ist, wenn Menschen von einem Tag auf den anderen verschwinden ... ja, und in ein oder zwei Augenpaaren liest er ein altes und sehr europäisches Mitleid, einen Blick, den er kennenlernen wird, noch ehe er seine Unschuld verliert und sich ihnen zugesellt... So treibt er durch die erleuchteten, kreiselnden Spielzimmer, den Speisesaal und dessen kleine, intimere Satelliten, scheucht Tete-a-Tetes auf, kollidiert mit Kellnern und sieht nur Fremde, wohin er auch blickt. Und wenn du Hilfe brauchst, tja, dann helfe ich dir eben ... Die Stimmen, die Musik, das Geräusch des Kartenmischens, alles wird lauter, bedrängender, bis er wieder vor dem HimmlerSpielsaal steht, der jetzt voller Menschen ist, blitzende Juwelen,
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