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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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einzeln vor. Wir haben Frieden, sie können einen doch mitten im Frieden nicht abknallen ... aber sie sind besoffen ... oboy. Slothrop hat eine Heidenangst. "Was machen wir?"
    "Sie werden der Experte für idiomatisches Englisch sein. Sagen Sie etwas Provozierendes."
    Slothrop steckt seinen Kopf in den langen Tunnel hinaus und kollert mit seinem allerenglischsten Akzent: "Major Marvy ist ein Arschkriecher." "Dort rauf!" Lärm von galoppierenden GI-Stiefeln, Nagelköpfen, die über den Beton
    knattern, und einer Menge anderer ominöser Metallteile, die snick snick machen ...
    "Jetzt", strahlt der schadenfrohe Glimpf und setzt die Seilwinde in Aktion.
    Ein frischer Einfall bei Slothrop. Wieder streckt er den Kopf ins Freie und grölt: "Major
    Marvy kriecht NIGGERN in den Arsch!"
    "Ich glaube, wir sollten uns beeilen", sagt Glimpf.
    "Schade, ich dachte gerade an einen guten mit seiner Mutter." Die lose Kabelschleife zwischen Winde und Metallbündel hat sich inzwischen zentimeterweise gestrafft. Sobald die langen Stäbe bis zur Decke aufgezogen sind, werden sie über dem Stolleneingang zusammenfallen, hoffentlich gerade dann, wenn die Amerikaner erscheinen.
    Slothrop und Glimpf machen sich durch den gegenüberliegenden Ausgang davon. Gerade als sie die erste Biegung des Tunnels erreichen, gehen die Lichter aus. Die Ventilation wimmert weiter. Die körperlosen Stimmen in den Rohren schöpfen Selbstbewußtsein aus der Finsternis.
    Mit einem gewaltigen Scheppern fallen die Monelstäbe zusammen. Slothrop stößt an die Felswand und beschließt, sie als Leitsystem in dieser absoluten Schwärze zu benutzen. Glimpf ist immer noch in der Tunnelmitte, irgendwo auf den Schienen. Es ist kein schweres Atmen, sondern er kichert unterdrückt in sich hinein. Hinter ihnen das hohle Gestolper der Verfolger, aber noch immer kein Licht. Man hört ein weiches Anschlagen und ein scharfes "Himmel", das aus dem Mund des alten Professors kommt. Das Geschrei ist lauter geworden, die ersten Taschenlampen blitzen auf, es wird Zeit, aus der Badewanne zu steigen -"Was ist los, um Himmels willen ..."
    "Kommen Sie!" Glimpf ist gegen eine Art Miniaturzug gestoßen, dessen Umrisse jetzt schwach auszumachen sind - er diente früher dazu, die Besucher aus Berlin durch die Fabrik zu fahren. Sie klettern auf die Zugmaschine an der Spitze, Glimpf fummelt an den Hebeln herum.
    Und tatsächlich geht's los, alle Mann an Bord, die Beleuchtung scheint das einzige zu sein, was Marvy ausgeschaltet hat,
    Funken knistern hinter ihnen, und jetzt spürt man sogar einen leichten Fahrtwind. Ein gutes Gefühl, wieder vorwärts ...
    Jeder kleine Nazi hat sein kleines Schatzi Auf dem Mittelwerk-Expreß!
    All die lustigen Faschisten hörst du bärtezwirbelnd flüstern:
    Wo geht's hin? Welche Adreß?
    Am Ende der Schienen wartet ein Land,
    Wo weder Knappheit noch Steuern bekannt,
    Mit goldenen Zeiten für Rosie und Rex,
    Auf dem Mittelwerk-Expreß!
    Glimpf hat einen Kopfscheinwerfer eingeschaltet. Aus den Öffnungen der Seitenstollen, die vorüberziehen, glotzen khakifarbene Figuren. Das Weiße in ihren Augen wirft das Licht für einen Sekundenbruchteil zurück, ehe sie im Schwarzen verschwinden. Ein paar Leute winken. Zurufe dopplern Hey-eyyy-y-y-i-iii davon wie Autohupen nachts auf dem Heimweg an der Kreuzung der Boston und Maine ... Der Expreß rollt jetzt mit einem beachtlichen Tempo. Feuchter Wind rauscht mit einem Singen vorüber. In der Rückstreuung der Lampe kann man auf den beiden flachen Anhängern hinter der Lok die Silhouetten von gestapelten Sprengkopf-Segmenten erkennen. Zu beiden Seiten der Schienen huscht das lokale Zwergenvolk ängstlich geduckt an den Rand des Lichtkegels. Sie betrachten die kleine Bahn als ihr
    Eigentum und fühlen sich jedesmal verletzt, wenn die großen Leute kommen und das Kommando übernehmen. Einige sitzen auf Kistenstapeln und lassen die Beine baumeln. Andere üben Handstände im Dunkeln. Ihre Augen glühen grün und rot. Manche schwingen sich sogar an Seilen, die von der Decke hängen, in komischen Kamikaze-Attacken, "Banzai!" heulend, auf Glimpf und Slothrop herab, bevor sie sich kichernd verdrücken. Es ist alles nur Spiel. Sie sind wirklich ein ganz liebenswertes -Genau hinter ihnen, laut wie Megaphone, in massiertem Choral:
    Es war mal ein Kerl namens Slattery
    "Oh, Scheiße", macht Slothrop.
    Verliebt in 'ne Kurskreisel-Batterie. Doch die saure Substanz Verätzte ihm seinen Schwanz Worauf er vernehmlich "Nie wieder!"

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