Die Enden der Parabel
falsche Dörfer den königlichen Siegeszug der Katharina überlebt? Wird die Seele des Gauchos die Technik überleben, die ihn in Bild und Ton bannt? Oder wird endlich einer kommen, von Göll oder ein anderer, um auch den zweiten Teil zu drehen und den Traum zu zerstören? Über und um sie gleitet der Tierkreis, Sternbilder der Nordhalbkugel, die sie in Argentinien nie gesehen hat, unbeirrbar und sanft wie ein Stundenzeiger... Plötzlich ein Gurgeln hinter dem Turmschatten, Zischen und Belausteguis Geheul aus der Zentrale: "Der Aal! Der Aal!" Der Aal, fragt sich Graciela, der Aal? Ach ja, ein Torpedo. Ah, dieser Belaustegui, er ist so schlimm wie El Nato, er fühlt die seltsame Verpflichtung, sich hier an Bord auch des Jargons der deutschen U-Boot-Fahrer zu bedienen, es ist precisamente ein seegängiger Turm zu Babel, dieses Boot - aber Torpedo? Was hat er jetzt von einem Torpedo zu brüllen?
Er hat den guten Grund, daß das U-Boot seit kurzem einen "Skunk", ein nicht identifiziertes Echo, auf dem Radarschirm der USS John E. Badass abgibt (bitte recht freundlich, U-Boot!) und daß die Badass nun in einem muskulösen NachkriegsReflex mit voller Kraft voraus auf das fragliche Objekt zuhält. Der Empfang ist ausgezeichnet heute nacht, die grüne Bildspur "feinkörnig wie Babyhaut", wie Spyros ("Spider") Telangiecstasis, Radarman 2nd Class, bestätigt. Man sieht klar bis raus zu den Azoren. Es ist ein milder, fluoreszierender Sommerabend auf See. Aber was zeigt sich da Flinkes auf dem Schirm, von Intervall zu Intervall näherkommend, abgespalten wie ein Tropfen Licht vom alten Echo, winzig und unmißverständlich auf die ruhende Achse des Abtaststrahls gezielt und ziemlich nahe schon -"Bakerbakerbaker!" brüllt eine Stimme aus dem Sonar laut und aufgeregt durch die Sprechanlage. Das bedeutet feindlicher Torpedo unterwegs. Kaffeegeschirre klirren auf die Bodenplatten, Parallellineale und Stechzirkel rutschen über das glasige Todeskalkül des Leuchtschirms, als der alte Eimer in den ersten Haken eines Zacksystems hineinkrängt, das schon zu Zeiten der Regierung Coolidge aus der Mode war.
Der bleiche Blasentunnel des Aals zielt fast genau mittschiffs in das verzweifelte Ausweichmanöver der Badass hinein. Was dazwischentritt ist die Droge Oneirin, als Hydrochlorid. Das Gerät, aus dem sie tropfte, ist die Kaffeemaschine in der Messe der John E. Badass. Der stets zu einem Streich aufgelegte Seaman Bodine - kein anderer - hat die Gründe dieser Nacht mit einer massiven Dosis von Laszlo Jamfs vielgerühmter Droge präpariert, die er sich auf seinem letzten Trip nach Berlin organisiert hatte.
Unter den Eigenschaften, die Oneirin auszeichnen, war die der Zeitmodulation eine der ersten, die in der Fachwelt Aufsehen erregte. "Man erlebt sie", schreibt Shetzline in seiner klassischen Studie, "auf eine völlig subjektive Weise... äh... tscha... sagen wir mal so: Als triebe man sich Keile aus silbernem Schwamm mitten, ins, eigene, Gehirn!" So kommt's, daß sich die beiden fatalen Kurse auf dem mürben Meeresecho dieser Nacht zwar räumlich kreuzen, nicht aber in der Zeit. Nicht auch nur annähernd in der Zeit, heh, heh. Das Ziel, auf das Belaustegui seinen Torpedo feuerte, war ein vergammeltes altes Wrack, das machtlos mit Wind und Strömung trieb, aber doch genug vom Schädel in die Nacht brachte: eine Ankündigung von metallener Leere, von Schatten, die selbst krasseren Positivisten als Belaustegui schon eine Gänsehaut über den Rücken gejagt hat. Und was von der flinken Bildspur an Bord der Badass schließlich in Sichtweite kam, erwies sich als eine dunkelhäutige Leiche, eines Nordafrikaners vielleicht, die die Kanoniere vom Dreizöller achtern eine halbe Stunde lang in Stücke schössen, während das graue Kriegsschiff, ferngehalten von seiner Seuchenangst, in sicherem Abstand vorüberglitt.
Was ist das nun, genau, für ein Meer, das du durchquert hast, was für ein Ozean, in den du mehr als einmal hinabgetaucht bist bis zum Grund, erregt, heiß von Adrenalin und doch gefangen und betrogen von den Epistemologien der Bedrohungen, die dich in die Paranoia und endlich noch den Kerker dieses Stahltopfs hier getrieben haben, in dem du aufweichst zum vitaminlosen Bodensatz in der Brühe deiner eigenen Wörter, deines eigenen, fauligen U-Boot-Atems? Es brauchte schließlich die Affäre Dreyfus, um die Zionisten aus ihren Löchern und an die Arbeit zu treiben: Was wird es sein, das dich aus deinem Suppentopf herausscheucht? Hat
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